Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
Bürschchen«, zischte der Mann. »Ich haue dich mitsamt deiner Mähre entzwei.« Er schwang das Schwert mit einer raschen Bewegung einmal um seinen Kopf und trat dabei einen Schritt nach vorn; danach ruhte die Spitze der Klinge mit einigem Nachdruck auf Philipps Bauch. Philipp schob jeden Gedanken, das lange Messer aus seinem Gürtel zu reißen, von sich. Er schluckte trocken und schwieg.
Der Mann musterte ihn von Kopf bis Fuß. Er ließ sich Zeit damit, und auch Philipp erhielt die unerwünschte Gelegenheit, seinen Widersacher in Augenschein zu nehmen. Er mochte etwa das Alter von Philipps Herrn haben, war aber im Gegensatz zu dessen behäbig gewordener Gestalt von der bulligen Gedrungenheit eines Mannes, der seine Körperkräfte noch immer zu benutzen wußte. Er hatte kleine, gegen die Sonne eng zusammengekniffene Augen mit einem Strahlenkranz von Falten um die Augenwinkel, die von einem leichten Sonnenbrand deutlich hervortraten. Unter seinem Mantel offenbarte sich ein langer, lederner Waffenrock mit angenähten Metallplättchen. Der Mann beendete seine Musterung und grinste Philipp mit einer Reihe erstaunlich gesunder, kräftig gelber Zähne an. »Freund oder Feind?« fragte er.
»Was meint Ihr?« krächzte Philipp.
»Bist du ein Wegelagerer, dem ich den Bauch aufschlitzenmuß, oder ein harmloser Weggefährte, dem ich statt dessen einen Schluck Wein anbieten kann?« Der Mann wies mit dem Kopf auf einen Schlauch, der dort auf dem Boden lag, wo er sich eben noch selbst befunden hatte. Er grinste noch immer von einem Ohr zum anderen. Bei alldem fiel es ihm jedoch nicht ein, das Schwert herunterzunehmen.
»Ich bin ein Freund, schätze ich«, sagte Philipp endlich.
»Hast Glück gehabt, schätze ich«, ahmte ihn der Mann mit gutmütigem Spott nach. Er senkte die Klinge. Philipp massierte sich unbewußt die Druckstelle auf seinem Magen. »Ich könnte natürlich auch gelogen haben«, sagte Philipp, um sein Gesicht zu wahren. Der Mann lachte herzlich.
»Wenn es so ist, haben deine Kumpane schon lange die Beine in die Hand genommen«, erklärte er. »Du bist mir also auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Und solange du die Hände schön da läßt, wo ich sie sehen kann, ist dein Verderb noch nicht allzu nahe.« Er steckte sein Schwert zurück in die Scheide und hakte die Daumen in den beschlagenen Gürtel, der sich um seine Hüfte schlang. Er blinzelte. »Sollte allerdings noch einer zurückgeblieben sein, um mir einen Pfeil in den Rücken zu schießen, so wird das dem Pfeil schlecht bekommen.« Er klopfte selbstbewußt auf die Metallplättchen an seinem Wams.
»Ich bin kein Wegelagerer«, sagte Philipp. »Tatsächlich dachte ich, Ihr wärt einer.«
»Woraus hast du das geschlossen? Weil ich am Wege lagerte?« fragte der Mann und brach gleich darauf in weiteres Gelächter über sein Wortspiel aus. Philipp begann unwillkürlich zu lächeln; sein neuer Bekannter amüsierte ihn.
»Es wird Zeit, daß ein bißchen Farbe in dein Gesicht zurückkehrt. Trink einen Schluck Wein.«
Philipp stieg ab, nahm den Weinschlauch entgegen, entkorkte ihn und trank daraus. Während der warme Wein in seine Kehle lief, spürte er eine Berührung in seinem Rücken. Bestürzt ließ er den Schlauch sinken und starrte auf sein Messer.
»Kleine Vorsichtsmaßnahme«, brummte der andere und betrachtete es interessiert. Schließlich wirbelte er es mit einer nachlässigen Handbewegung davon, so daß es sich zwischen Philipps Füßen in den Boden bohrte. Der Mann lächelte, sichtlich erfreut über seine eigene Geschicklichkeit. »Nimm’s dir ruhig wieder«, sagte er. »Damit bist du so harmlos wie ein Säugling.« Er schnappte sich den Weinschlauch und trank sorglos einen tiefen Schluck. Philipp bückte sich langsam und zog das Messer aus der Erde. Er erwartete jeden Moment, daß der Mann ihm den Fuß in den Nacken stellen würde, aber nichts geschah. Mit geröteten Wangen steckte er das Messer zurück.
»Ich bin Ernst Guett’heure«, sagte der Mann und machte eine nachlässige Verbeugung. »Ich bin der Herr des absolut schönsten, reichsten und am meisten beneideten Gutes jenseits der Grenze; und um ehrlich zu sein, es fehlt mir jeden Tag, an dem ich nicht dort sein kann.« Er kniff ein Auge zusammen und blinzelte Philipp zu. »Mit wem habe ich die Ehre?« »Mein Name ist Philipp.«
»Philipp? Und was noch?«
»Nichts weiter. Ich bin der Truchseß meines Herrn.« Philipp räusperte sich und bemerkte, daß er allmählich in seine alte
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