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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Zug an.
    Endlich waren alle losgesprochen. Renardus versammelte sie zu einem Ring. Zwei der Geißler traten ein wenig beiseite und bewegten die Schultern, als lockerten sie ihre Muskeln. Die Losgesprochenen und die Zuschauer beobachteten sie interessiert. Renardus stimmte ein Lied an. Seine krächzende Stimme zitterte über die Geißelstatt, bis die anderen Geißler einfielen und die Zeile wiederholten; die dritte Wiederholung kam, unsicher zu Beginn und schließlich fester werdend, vom Chor der Losgesprochenen. Als auch sie die Zeile zu Ende gebracht hatten, hörte Rasso das Klatschen. Die zwei abgesonderten Geißler begannen langsam um den Ring zu schreiten und hieben sich ihre Geißeln mit aller Kraft auf den Rücken. Ihre Gesichter waren angespannt, und sie zuckten zusammen; das Volk zuckte kollektiv mit. Rasso sah mit Unbehagen, daß eine der Geißeln an den Enden der Riemen kantige Knöpfe sitzen hatte. Schon rötete sich die Haut der beiden Vorgeißler. Renardus begann die zweite Zeile.
    Das Lied befaßte sich ausführlich mit allen Sünden, die unweigerlich zur Verdammnis führten: Übertretungen des Fastengebots, Lügen, Meineide, Wucherei, Mord und Diebstahl; und was Christus, die heilige Mutter Maria und sämtliche Heiligen davon hielten. Zwischen den Dreierzeilen sausten die Geißeln auf die beiden Rücken herab. Bald trat das erste Blut hervor, und mit ihm die ersten begeisterten Tränen auf Seiten der Zuschauer. Auch von den Losgesprochenen kamen jetzt einige in Fahrt und schluchzten beeindruckt. Rasso unterdrückteein Gähnen und schielte nach dem Berittenen. Wie er nicht anders erwartet hatte, war er bereits wieder verschwunden.
    Am nächsten Tag hatten sie bereits etliche Meilen zwischen sich und die Stadt gebracht, als Rasso den Redefluß Renardus’, der sich über die rege Beteiligung an der gestrigen Geißelung noch immer begeistern konnte, unterbrach. Er wies auf das jenseitige Ende eines Feldes, das rechts neben der Straße lag, grau verschleiert vom Morgenlicht.
    »Was ist dort?« fragte Renardus.
    »Drei Reiter.« Rasso blickte sich zu Fulcher um, dessen blutunterlaufene Augen ebenfalls in die von ihm gewiesene Richtung blickten. Fulcher schien erschöpft und ging mühsam, aber bis jetzt hatte er durchgehalten.
    »Ist einer davon der Kerl von gestern?« fragte der Geißler, mit dem er sich nachmittags unterhalten hatte.
    »Darauf wette ich«, brummte Rasso.
    »Was werden sie tun?«
    »Ich weiß es nicht. Habt ihr Waffen?«
    »Natürlich nicht.«
    »Was ist mit den Geißeln?«
    »Das sind geweihte Instrumente«, empörte sich Renardus. Er drehte sich zu seinen Schützlingen um. »Es besteht keine Gefahr. Niemand wird uns etwas antun.«
    Die Reiter tauchten in ein kleines Waldstück ein und verschwanden. Rasso beobachtete das andere Ende des Waldes aufmerksam, aber sie kamen nicht wieder daraus hervor, selbst als ihr Häuflein daran vorüberzog. Ihre neuen Freunde schienen erleichtert und begannen wieder zulächeln, aber Rasso und Fulcher wechselten einen Blick. Fulcher schüttelte finster den Kopf.
    Als nächstes deutete einer der Geißler nach links. »Dort sind noch welche.« Die Gruppe blieb wieder stehen. Rasso kniff die Augen zusammen.
    »Das sind die gleichen wie vorhin. Irgendwie haben sie auf die andere Seite hinübergewechselt.«
    Jetzt näherten sich mehr Köpfe als vorhin einander, um zu beraten. Rasso konnte deutlich die Nervosität bemerken, die sich breitzumachen begann. Die Reiter preschten ein paar Längen voraus, dann wendeten sie ihre Pferde plötzlich um und galoppierten in ihrer Spur zurück. Sie verschwanden in Richtung Köln, ohne sich nach der zusammengedrängten Gruppe auf der Straße umzusehen.
    »Siehst du, sie wollen gar nichts von uns«, stellte Renardus fest und atmete auf. Rasso betrachtete nachdenklich das Waldstück, das vor ihnen lag. »Was meinst du?« fragte er Fulcher. Dieser nickte.
    Rasso seufzte und machte sich auf nach vorn zu Renardus, um ihm vorzuschlagen, die Gruppe auseinanderzuziehen. »Wir fühlen uns wohler, wenn wir zusammenbleiben«, widersprach Renardus.
    »Wenn wir angegriffen werden, wird es im Wald geschehen, und wir haben eine größere Chance zu fliehen, wenn wir nicht auf einem Haufen beieinanderstehen.«
    »Ich glaube nicht, daß wir angegriffen werden.«
    Rasso schwieg grimmig.
    »Niemand ist hinter uns her«, sagte Renardus fest. »Wir sind als Gruppe von zu Hause aufgebrochen; als Gruppe ziehen wir weiter.«
    »Wir können ja

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