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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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wenngleich die Geschwindigkeit, mit der Renardus sie erklärte, Rassos Kopf zum Drehen brachte. Schließlich winkte Renardus ab und sagte: »Jeder fängt mal an. Sieh einfach den anderen zu und tue, was sie tun. Bekenne aber deine eigenen Sünden, hörst du, nicht die der anderen.«
    Nach der Einweisung suchte Rasso Fulcher auf, aber sein Freund war besinnungslos. Die beiden Männer, die sich um ihn gekümmert hatten (und das in nicht allzu stümperhafter Manier; einer davon schien Erfahrungen als Bader zu besitzen), hatten sein Gesicht dick mit halbwegs sauberen Tuchstreifen umwickelt. Rasso betrachtete ihn mitleidig.
    Später verließen Renardus und der Hauptteil der Geißler ihr Lager und setzten über nach Köln, um die Messe zu besuchen und nachher die Bußwilligen wieder mit herauszubegleiten. Rasso bemerkte, daß einige nur ungern dorthin gingen, was sie »die Höhle des Löwen« nannten, aber Renardus überzeugte sie, daß es ihre Pflicht sei. Mit sich so gut wie alleingelassen, denn die Zurückgebliebenen begannen die Tücher und die Geißeln aus den Reisetruhen auszupacken, tat er das, was er am besten konnte: Er hielt Wache über die Geißelstatt.
    Die Geißler lagerten nicht weit abseits der Straße, auf der reger Verkehr von und zur Stadt herrschte, jetzt, kurz vor dem Beginn der Abendmesse, noch stärker als sonst. Nach einer Weile fiel ihm ein Berittener mit einer leichten Rüstung auf – langes Panzerhemd mit einem wappenlosen Waffenrock darüber, den Helm am Sattelknauf baumelnd und den kleinen Schild über den Rücken geworfen. Er stand bewegungslos auf der anderen Seite der Straße und beobachtete das Lager. Rasso faßte ihn argwöhnisch ins Auge und hatte das Gefühl, daß der Mann ihn anstarrte. Konnte er irgendwie zum Kanzler gehören? Rasso wünschte sich, die Geißler wären weitergezogen. Plötzlich hielt er es nicht mehr für eine so gute Idee, bei ihnen Unterschlupf zu suchen und sich auf ihre Unantastbarkeit zu verlassen. Idiot, der er war! Er wußte besser als alle anderen, was man mit ihnen anstellen wollte! Wieso hatte er sich von Renardus einwickeln lassen? Dann fiel ihm ein, daß Fulcher nicht weitergekonnt hatte. Er seufzte. Es war alles nicht so einfach. Als der wappenlose Reiter sein Pferd plötzlich wendete und davontrabte, ohne sich umzusehen, fühlte er sich halbwegs erleichtert.
    »Den seh ich schon zum zweitenmal«, sagte einer der Geißler, der neben ihn getreten war. »Als wir eintrafen, hockte er da drüben auf seinem Pferd und sah uns zu, wie wir das Zelt aufstellten.«
    Renardus führte eine stattliche Anzahl von Büßern aus der Stadt herbei und eine noch größere Menge Schaulustiger. Die Büßer wurden, so wie Renardus’ Gruppe, in Tücher gekleidet, die bis zu den Füßen reichten. Mit freiem Oberkörper legten sie sich in einem weiten Ring auf die Erde. Rasso tat es den anderen nach. Zu seiner Verblüffung erkannte er, daß die Bürger aus der Stadt ihre Sünden offen bekannten; mit verschiedenen Gesten gaben sie von ihren Verfehlungen Kenntnis – Schwurfinger, die zum Zeichen eines geleisteten Meineids in die Höhe gereckt wurden, ein paar Männer, die sich auf den Bauch drehten und so ihren Ehebruch bekundeten, Urkundenfälscher mit gekrümmten Zeigefingern. Rasso fragte sich, ob im Kreis der respektvoll beiseite stehenden Zuschauer vielleicht des einen oder anderen Sünders Opfer stand und sich in diesem Moment vornahm, die Selbstanklage vor Gericht zu bringen. Renardus räusperte sich, schritt zum ersten der Büßer, berührte ihn mit der Geißel und sprach ihn los. Während er zum nächsten schritt, rappelte sich der erste auf und schloß sich ihm an. Mit zunehmender Anzahl an Lossprechungen bewegte sich eine ganze Reihe absolvierter Sünder hinter dem Meister her. Rasso wurde die Zeremonie langweilig, und seine Augen schweiften ab. Als er den Reiter vom Nachmittag wieder erblickte, hoch auf seinem Pferd hinter den Rücken der Zuschauer sitzend, erschrak er.
    Ein Schatten fiel auf ihn, und Renardus blickte auf ihn herab. Er hatte vergessen, sich die Sünde zu überlegen, von der er sich lossprechen lassen wollte. Renardus’ Gesicht wurde ungeduldig. Rasso streckte eine Hand aus und machte einen Faustschlag nach, an den niedergestreckten Wächter im Kerker denkend.
    »Steh auf durch der reinen Marter Ehr’, und übe keine weit’ren Sünden mehr«, murmelte Renardus und klopfte ihm mit der Geißel auf den Arm. Erleichtert stand Rasso auf und schloß sich dem

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