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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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keiner mehr was. Die Geißler sind heilig.«
    Die Wächter am Severinstor interessierten sich nicht für sie. Der Weg schlängelte sich matt durch die schiefen Holzbauten der Pfahlbürger und schlug östliche Richtung ein, auf den Bayenturm zu.
    »Als der Kanzler sagte, wir seien beide ebenso tot wie Liutfried, wurde mir klar, warum er keinen von seinen Leibwächtern damit beauftragt hatte, ihn zu schützen. Er wollte, daß niemand von dem Gespräch erfuhr. Wenn ich mich bei Burchardt zurückgemeldet hätte, hätte der mir wahrscheinlich den Hals durchgeschnitten; dich hätten sie in der Zelle verrecken lassen.« Rasso schüttelte den Kopf. »Würde mich nur interessieren, wovon sie überhaupt gesprochen haben.«
    Fulcher keuchte etwas und zeichnete den Umriß eines großen Mannes in die Luft. »Hansla.«
    »Der Kanzler.«
    Fulcher nickte. Rasso betrachtete mitleidig die schwarz verfärbte, ganz und gar entstellte untere Hälfte seines Gesichts. Ein aasiger Geruch ging davon aus. Er seufzte im stillen bei dem Gedanken, daß man die Wunde demnächst würde ausschneiden und ausbrennen müssen. Daß es nicht sicher war, ob Fulcher diese Prozedur überleben würde oder ob er vom Brand sterben würde, schob er von sich. Er hatte ihn gerettet, das zählte.
    Fulcher zeichnete einen weiteren Umriß in die Luft und breitete fragend die Arme aus.
    »Der zweite Mann? Keine Ahnung. Ich hab’ ihn sowieso kaum verstanden.« Rasso grinste freudlos. »Würdest auch gerne wissen, was es so Wichtiges war, daß sie uns beide dafür ins Gras beißen lassen wollten, was?«
    Der Meister der Geißler, ein älterer Mann, empfing sie überrascht und war noch überraschter, als er Rassos Geschichte hörte. Fulcher mußte gestützt werden und brach zusammen, als die Geißler sie neugierig umringten; sie mußten ihn auf den Boden legen. Rasso sah sich gezwungen, die Verhandlungen allein zu führen.
    »Ich glaube nicht, daß ich euch bei uns aufnehmen will«, erklärte der Meister.
    »Wenn es wegen der vier Pfennige am Tag ist ...«
    »Ihr seid Flüchtlinge. Man wird nach euch suchen. Unsere Lage ist schwierig genug. In letzter Zeit machen die Priester und Kleriker uns immer mehr Scherereien.«
    »Ich könnte euch etwas Lebenswichtiges verraten«, sagte Rasso schlau.
    »Was ist das?«
    »Als Gegenzug müßt ihr uns aufnehmen.«
    »Wir lassen uns nicht erpressen.«
    »Na, wenn ihr’s nicht nötig habt ...«
    »Sag uns, was du weißt, dann entscheiden wir, ob wir euch aufnehmen oder nicht. Wenn es wirklich wichtig ist, werden wir euch helfen.«
    »Ganz ehrlich?« fragte Rasso mißtrauisch. Der Meister der Geißler nickte.
    »Sie wollen euch an den Kragen!« sprudelte Rasso heraus.
    »Es war ein Mann im Dom, der seinem Knecht den Auftrag gegeben hat, euch von der Erde zu fegen, sobald ihr Köln verlassen habt. Ich weiß nicht, wer der Kerl war, aber er sah reich und mächtig aus.«
    Die Geißler sahen sich überrascht an. Ein paar Gesichter verzogen sich mißtrauisch, aber die meisten wurden bleich. »Was ist jetzt?« fragte Rasso.
    Der Meister wechselte Blicke mit seinen Brüdern. Die meisten nickten grimmig. »Ihr dürft bleiben«, sagte der Meister würdevoll.
    »Wir werden auch versuchen, deinem Freund zu helfen.« Er seufzte. »Aber ich mache dir nicht viel Hoffnung.«
    Rasso überhörte die letzten Worte. Es galt immer noch zu handeln. »Warum hauen wir nicht alle miteinander ab?«
    »Nein, es haben sich bereits reuige Sünder für unsere Lossprechung vor dem Sonnenuntergang angesagt. Wir dürfen sie nicht enttäuschen. Aber morgen früh können wir aufbrechen – am besten vor dem Morgengrauen. Das überrascht sie. Man wird erwarten, daß wir mehrere Tage bleiben.«
    »Den ganzen Tag und die Nacht noch hierbleiben?« stöhnte Rasso.
    »Während dieser Zeit legen wir unsere Leben in Gottes Hand«, erklärte der Meister.
    Der Meister, dessen Name Renardus lautete, weihte Rasso im Schnellverfahren in die Rituale der Gruppe ein. Währenddessen ertönten aus dem Innern eines Tuchverschlags, der als Schutz gegen die Witterung diente, die Geräusche vom Sauberschneiden und Ausbrennen von Fulchers Wunde. Fulcher war leider vorher wieder zu sich gekommen. Rasso bemühte sich, sein Gehör auf Renardus zu konzentrieren.
    Die Gruppe war nicht groß: vielleicht dreißig Männer jeder Altersstufe, der jüngste davon kaum den Knabenlocken entwachsen, der älteste mußte hochgezogen werden, wenn er vom Boden aufstehen wollte. Ihre Rituale waren einfach,

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