Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
Die Tür schwang auf, und er trat in eine Glocke aus feuchtkaltem Kellergeruch. Fulcher lag reglos am Boden. Rasso trat voller Furcht zu ihm hin, vom Wächter gelangweilt beobachtet.
»Ich möchte ihm die Beichte abnehmen«, sagte Rasso betont. Der Wächter brummte etwas und zog sich zurück.
Rasso kniete neben Fulcher nieder und rüttelte ihn an der Schulter. Fulcher stöhnte und richtete sich benommen auf. Sein Gesicht sah selbst im schlechten Licht der Zelle grauenvoll aus. Rasso schlug die Kapuze zurück. Fulchers Augen weiteten sich in plötzlicher Erkenntnis.
»Ich bin’s«, flüsterte Rasso und hätte Fulcher am liebsten umarmt. »Ich hol’ dich hier raus.«
Fulcher starrte ihn an. Sein zerschlagener Mund zuckte. Rasso legte ihm die Hände auf die Schultern und drückte ihn wieder in seine Decke hinein. Dann preßte er einen Finger auf die Lippen, sah Fulcher beschwörend an und rappelte sich wieder auf. Es mußte schnell gehen. Er wußte nicht, wie lange Burchardt arglos auf seine Rückkehr warten würde.
»Wächter, der Mann bewegt sich nicht!« rief er laut.
»Nicht doch, zwei an einem Tag«, knurrte der Wächter und kam zur Tür herein. Rasso sah mit Erleichterung, daß er sie aus alter Gewohnheit hinter sich zuzog. Er stapfte zu Fulcher hinüber. Rasso zog den halb behauenen Stein, dessen Mitnahme von einer der vielen Baustellen eine weitere Folge seiner Gedankentätigkeit gewesen war, aus seiner Kutte heraus und schlug ihn dem Wächter über den Schädel. Der Wächter taumelte. Rasso schlug verzweifelt ein zweites Mal zu. Der Wächter kippte vornüber und kam dicht neben Fulchers Kübel zu liegen. Fulcher ächzte und starrte mit großen Augen aus seiner Decke heraus. Rasso ließ den Stein fallen.
»Ja!« stieß er gepreßt hervor und tanzte nervös von einem Fuß auf den anderen. »Ja! Ja! Ja! Ich hab’ ihn.« Er ließ sich neben dem Mann auf den Boden fallen und drehte ihn halb herum. »Lebt noch, Gott sei Dank.«
Er stürzte auf Fulcher zu und zerrte ihn am Arm. »Laß uns abhauen, bevor er wieder zu sich kommt.« Fulcher stöhnte etwas Undefinierbares und wies auf den Wächter. Rasso schüttelte den Kopf.
»Wir lassen ihn liegen. Komm, ich helfe dir auf!«
»Nnnng!« ächzte Fulcher und schüttelte den Kopf ebenso vehement. Er deutete wieder auf den Wächter und fuchtelte in der Luft herum.
»Was soll ich?«
»’and!« keuchte Fulcher. »E’hand!«
»Sein Gewand?«
Fulcher rollte mit den Augen und kämpfte sich aus der Decke heraus; noch während er schwankend in die Höhe taumelte, riß er schon an den Überresten seines Hemdes. Gleich darauf begann Fulcher an Rassos Mönchskutte zu zerren. Rasso fuhr hilflos mit den Händen durch die Luft. »Was willst du denn?« rief er. Fulcher stieß ein paar Silben aus und deutete verzweifelt auf den niedergeschlagenen Wächter. Er zupfte an seiner Brust herum, als wäre er noch bekleidet, und wies dann auf Rasso.
»Ich soll ihm die Kutte anziehen? Warum denn?«
Als der Wächter am oberen Ende der Treppe eben nachsehen wollte, wie lang die Beichte eines Mannes dauern konnte, der nicht imstande war, den Mund zu bewegen, kam sein Kollege von unten mit dem Mönch wieder hoch. Der Mönch war niedergeschlagen; er hob kaum den Kopf aus der Kapuze und antwortete nicht, als er zu ihm sagte: »Hat nicht viel rausgekriegt, was, Bruder?«
Der Wächter, der sich wegen des Gestanks in der Zelle noch immer die Nase mit der hohlen Hand zuhielt, erklärte dumpf: »Ich bring’ ihn zum Tor.« Der erste Wächter nickte gelangweilt und sah den beiden ohne großes Interesse hinterher. Der Mönch stolperte beim Hinausgehen und hielt sich einen Augenblick an seinem Begleiter fest.
Hat sich wahrscheinlich die Därme rausgekotzt, der junge Kerl, dachte der Wächter, eine faulige Wunde stinkt auch abscheulich.
Es schien Rasso, als wäre er erst bei Sankt Maria Magdalena wieder in der Lage zu atmen. Immer wieder drehte er sich um. Es war ihnen niemand gefolgt.
»Darauf wäre ich nie gekommen, die Sachen des Wächters anzuziehen!« zischte er. »Gut, daß du diese Idee hattest. Wie geht’s dir in der Kutte?«
Fulcher brummte und winkte ab. Er stolperte erschöpft neben Rasso her, das Gesicht tief in der Kapuze verborgen.
»Ich bring’ dich zu den Geißlern raus«, sprudelte Rasso. »Das ist nicht mehr weit – sie lagern am Ostufer des Rheins, gegenüber dem Hafen. Das schaffst du. Ich hab’ sogar eine Münze für die Fähre. Wenn wir dort sind, tut uns
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