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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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sie zu. Er spähte zum Tor hinaus und dann zum Gebäude. »Tut sich was?« fragte er. »Ich sehe nichts.«
    Sie warteten einige Augenblicke, aber weder vom Dorf her noch vom Gebäude kam jemand auf sie zu.
    »Gehen wir rein«, seufzte Philipp. »Wahrscheinlich ist ohnehin niemand mehr da.«
    »Und die Pferde?«
    »Der Roßknecht war überzeugt davon, daß Ernst durchdie Lüfte reiten konnte. Vielleicht hat sich diese Fähigkeit auf Radolf übertragen, als er ihn niederstach.«
    Sie schritten die Treppe in den donjon hinauf. Aude entging nicht, daß Philipp den Griff seines Messers umfaßte, ohne es zu ziehen.
    Sie tastete auf ihren Bauch und war nicht viel beruhigter, als sie den Umriß des dünnen Messers spürte, unsichtbar unter der Fältelung des Hemdes verborgen und mit einem raschen Griff in den Ausschnitt hervorzuziehen. Sie hatte es eingesteckt, als sie am Morgen die Hütte des Fährmanns verlassen hatten. Sie marschierten durch den leeren Raum im ersten Geschoß des donjons und in den Saal hinein. Er war, wie sie ihn erwartet hatte: dunkel, ohne jedes Feuer, ohne jede Wärme, abweisend und kahl. Der Saal roch unangenehm. Im Hintergrund sah sie den dunklen Umriß einer mit Decken abgehängten Kammer.
    »Radolf?« rief Philipp. »Dionisia? Irgend jemand?«
    »Wie viele Räume gibt es?« fragte Aude.
    »Unten im Keller die Küche mit einem eingemauerten Vorratsraum. Hier oben den Saal. Was Ihr dort hinten seht, ist Radolfs Kammer. Oben im Trockenspeicher hat Dionisia einen Raum, den sie mit der alten Frau bewohnt.«
    »Vielleicht ist jemand oben. Vielleicht ist Radolfs Tochter oder die alte Frau krank, und Radolf ist unterwegs, um Hilfe zu holen.«
    »Dann würde man uns antworten«, sagte Philipp, aber sie konnte deutlich erkennen, daß er es für eine Möglichkeit hielt. Er holte Luft und rief noch lauter: »Dionisia? Ich bin’s, Philipp.« Er wandte sich zu Aude um und murmelte: »Wenn die Weiber allein sind, halten sie sich womöglich still. Ich würde an ihrer Stelle auch nicht antworten, wenn ich nichtwüßte, wer sich im Haus herumtreibt.« Aber auch die Nennung seines Namens bewirkte nichts.
    »Ich gehe hinauf und sehe nach«, erklärte Aude. »Ihr dürft sowieso nicht in die Frauenkammer hinein.«
    »Ihr bleibt hier bei mir«, sagte Philipp bestimmt. »Wir sehen überall gemeinsam nach. Wenn Ihr in die Frauenkammer hineingeht, will ich wenigstens neben der Tür stehen.«
    Aude nickte, ohne zu diskutieren. Je weiter sie in den Saal vordrangen, desto drückender wurde der Geruch. »Man kann Radolfs Vorräte riechen«, sagte Aude. »Sie verderben.«
    Philipp blieb auf dem Absatz der Treppe stehen, die in die Küche hinunterführte. »Scheinbar«, sagte er. »Der Geruch kommt von dort unten.« Er machte Anstalten hinabzusteigen.
    »He«, rief eine Stimme vom Eingang her, und beide wirbelten herum. Audes Hand fuhr an ihren Ausschnitt, bevor sie erkennen konnte, daß es Galbert war. Sie ließ die Hand sinken. Ihr Herz klopfte wild, und sie schalt sich ärgerlich dafür. Aber Philipp schien es nicht anders ergangen zu sein.
    »Wenn ich etwas zum Werfen gehabt hätte, wärst du jetzt tot, verflucht noch mal«, zischte er. Galbert warf ein paar befangene Blicke um sich und kam zu ihnen heran. »Die Pferde waren halbverhungert. Was stinkt hier so?« fragte er.
    »Das Fleisch im Keller.« Philipp wandte sich an Aude. »Ich bin überzeugt, daß niemand mehr hier ist.« Er schüttelte den Kopf und machte ein finsteres Gesicht. »Verdammt.« Er warf noch einen Blick zur Kellertreppe, dann schritt er auf die Decke von Radolfs Kammer zu, hob die Hand,zögerte einen winzigen Augenblick und wischte sie dann beiseite.
    Der herausbrechende Gestank weckte Audes Erinnerung schneller als der Anblick in der Kammer: die Erinnerung an den Tod ihres Vaters. Die Situation war ebenso wie damals; das düstere Geviert mit dem großen Bett, die zurückgezogenen Bettvorhänge, die reglose Gestalt in den zerwühlten Decken und die Frau, die am Rand des Bettes Wache hielt. Die Bilder kamen zusammen mit dem überwältigenden Gestank nach Verfall, dem Gestank eines toten Leibs, der mit seinem Ende seine Funktionen eingestellt hatte und nun seiner Würde beraubt in seinem eigenen Schmutz lag. In Radolfs Kammer war es ebenso wie damals, als der Priester Aude und ihre Geschwister hereingeführt hatte: die Frau, die mit rastlosen Händen die Laken knetete, ohne etwas zu hören oder zu sehen, nur daß die Frau nicht Audes Mutter, sondern

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