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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Schoß rollte ein zerknülltes Pergament auf den Boden. Philipp bückte sich danach und hob es auf. Aude drängte Dionisia zum Ausgang aus der Kammer, und sie folgte mit schlurfenden Beinen dem Druck.
    »Ich muß sie waschen«, sagte Aude über die Schulter zu Philipp, der mit gerunzelter Stirn das Pergament auseinanderzufalten versuchte. »Sie hat sich beschmutzt, und ich möchte nicht wissen, wie lange sie schon in dem Schmutz und neben der Leiche gesessen ist. Außerdem hat sie ihr Monatsleiden.« Sie wies mit dem Kopf auf den eingetrockneten Blutfleck auf dem Laken. Philipp wandte peinlich berührt den Kopf ab, und Aude schüttelte ungeduldig den Kopf. »Stellt Euch nicht so an«, sagte sie barsch. »Wo ist ein Waschzuber?«
    »Ernst hatte ihn zuletzt draußen vor dem Eingang zum Haus benutzt«, sagte Philipp.
    »Ich habe ihn gesehen; er steht noch dort. Helft mir, sie hinauszuführen. Galbert soll inzwischen Wasser erhitzen.« Philipp steckte das halb auseinandergefaltete Pergament in die Tasche und stellte sich neben sie. Er hob zögernd eine Hand, aber dann schien ihm die Unberührbarkeit einer Frau während ihres Monatsflusses in dieser Situation doch keine Rolle zu spielen. Er faßte Dionisia entschlossen unter. Zu zweit geleiteten sie sie hinaus. Galbert, der die Tischplatte neben den Abgang zum Keller gelehnt hatte, wich ihnen aus. Philipp gab Audes Anweisung an ihn weiter, und er trabte die Kellertreppe hinunter.
    »Bring mir zuerst ein paar Kübel kaltes Wasser«, rief Aude ihm hinterher. »Wir müssen sie aus ihrem Stupor wecken, und kaltes Wasser wird uns dabei helfen.«
    Draußen war Dionisia nicht dazu zu bewegen, in den hohen Zuber zu steigen. Philipp sah sich zweifelnd um.
    »Vielleicht sollten wir warten, bis jemand aus dem Dorf kommt«, sagte er.
    »Und wer, glaubt ihr, wird kommen?« wies Aude ihn zurecht. »Die Häuser sind leer. Die Felder sind leer. Auf das Glockenläuten hat niemand reagiert. In dem Dorf ist niemand mehr.«
    »Und wahrscheinlich seit mindestens drei Tagen«, seufzte Philipp.
    »Seit dem Vollmond. Ebensolange wie Radolf tot ist. Die Hexe hat ihn doch noch gekriegt.«
    »Ihr würdet zusammen mit dem verschwundenen Roßknecht und Galbert ein reizendes Trio alter Waschweiber abgeben«, sagte Aude.
    Philipp brummte, dann faßte er Dionisia unter und bugsierte sie vorsichtig in den Zuber.
    »Helft Galbert beim Feuermachen«, sagte Aude. »Ich muß ihr das Gewand ausziehen, und dieser Anblick geht Euch nichts an.«
    »Ich lege auch keinen gesteigerten Wert darauf«, erklärte Philipp und stieg die Treppen hoch. Galbert hatte bereits ein mattes Feuer in der Kaminöffnung zustande gebracht und einen Eimer mit Wasser gefüllt. Bei Philipps Eintreten blickte er sich um.
    »Sie hat ihn erschlagen, nicht wahr?« sagte er. »Und die Alte die Treppe hinuntergestoßen.«
    »Ja«, sagte Philipp und lehnte sich schwer an den Rand des Brunnens, während er Galbert half, einen weiteren Kübelhochzuziehen. »Ich habe gesehen, welche Wut sie entwickeln konnte und daß sie dabei jede Zurückhaltung verlor. Ich frage mich nur, was diese Wut ausgelöst haben könnte – wenn es nicht Ernsts Tod war ...«
    »Noch dazu auf ihren Vater; ich meine ...«
    »Radolf war nicht ihr Vater; im Gegenteil, er hat ihren Vater sogar ...« Seine Augen weiteten sich plötzlich. Er ließ den Henkel des Eimers los, daß Galbert ein protestierendes Geräusch von sich gab und den gefüllten Kübel beinahe fahren ließ. Hastig wischte er sich die Hände an seinem Wams ab und angelte in seiner Tasche nach dem Pergament. Es war an vielen Stellen gebrochen. Philipp strich es mühsam an der Küchenwand glatt. Er kannte die Schrift – sie stammte aus Ernst Guett’heures Hand. Er überflog die Zeilen.
    »Mein Gott«, murmelte er. »Mein Gott.«
    »Was ist los?«
    »Komm mit nach draußen, ich erklär’s dir«, sagte Philipp sichtlich erschüttert und schob das Pergament unter sein Wams. Er bückte sich nach dem bereits gefüllten Eimer und hob ihn hoch. »Aude soll es auch erfahren.«
    Dionisias Kopf ragte über den Rand des Zubers hinaus. Audes Hemd war bis über die Ellenbogen zurückgeschoben. Ihre Haare waren zerzaust. Sie blickte ihnen ungeduldig entgegen. Als sie in Philipps Gesicht sah, verschluckte sie jede Bemerkung über die Dauer des Wasserholens.
    »Was ist passiert?« fragte sie statt dessen.
    »Radolf Vacillarius war der Gefolgsmann des Ritters, dem dieser Besitz und das Dorf ursprünglich gehörten«, sagte

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