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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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wahrscheinlich an der Tat hatte hindern wollen, die Treppe hinuntergestoßen. Es gab nichts mehr, was sie noch im Leben hätte festhalten können: ein Gespenst, noch bevor sie tot war, und mit weniger Bindung an das Leben als die Toten, die sie heute morgen begraben hatten. Es war kurz vor der Mittagsstunde, als sie zum Aufbruch bereit waren.
    »Was machen wir mit den Pferden?« fragte Galbert.
    »Wir nehmen sie mit. Irgendwie scheint mir, als habe Dionisia sie geerbt. Wir werden sie in ihrem Namen dem Kloster vermachen, das sie aufnimmt. Das dürfte ihr eine exzellente Aufnahme sichern.«
    »Außer das Riesenbiest zerlegt den Klosterstall in seine Bestandteile«, sagte Galbert zweifelnd.
    Tatsächlich zeigte sich, daß mit Ernsts Streitroß nicht so leicht umzugehen war. Es ließ sich nicht einmal den Zaum umlegen. Seufzend gab Philipp auf und ließ nur den Verschlag und die Stalltür offen, damit die Bestie das Weite suchen konnte, während sie sich mit den anderen, wenigerrenitenten Pferden im Schlepp davonmachten. Ernsts Roß war mit weitem Abstand das wertvollste unter den Tieren, und er hätte es um Dionisias willen gerne mitgenommen. Wie sich zeigte, hatte er unbewußt den richtigen Weg gewählt: Schon im Dorf hörten sie das Donnern schwerer Hufe hinter sich, und von da an folgte ihnen der große Gaul mit gehörigem Abstand, aber dennoch unentwegt. Vielleicht war es ihm unheimlich geworden allein mit dem verlassenen Dorf und den Toten.
    Weiter vorne nahm sich Philipp ein Herz und sprach Aude an. Die Distanz zwischen ihnen schien ihm nun weiter denn je; zu der Kluft aus Beklommenheit nach ihrem Liebesakt war ein Abgrund aus Trauer und Entsetzen getreten. Es dauerte eine Weile, bis ihm etwas einfiel, worauf sie nicht nur mit ja oder nein antworten konnte.
    »Was werdet Ihr nun machen?« fragte er.
    »Ich weiß nicht. Zuerst mit dem Gedanken fertigwerden, daß es niemanden mehr gibt, dem ich verpflichtet wäre. Ich trauere um ihn, jedoch nicht um den geliebten Ehegatten, der er schon lange nicht mehr war, sondern um den Gefährten, der ein langes Stück meines Weges mit mir gegangen ist. Aber ich weiß auch, daß ich nun, nach seinem Tod, einen neuen Weg gehen muß. Das ist Drohung und Versprechen zugleich.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich werde den kleinen Hof nur behalten können, indem ich irgendeinen von den angeberischen Landpflegern des Herzogs eheliche, die stets darauf aus sind, den Grundbesitz ihres Herrn zu erweitern. Ich könnte ihn jedoch einem Frauenkonvent vermachen und mich mit diesem Geschenk als Morgengabe dorthin zurückziehen, versteckt und behütet unter dem Schleier.«
    Philipp sah sie erschrocken an und öffnete den Mund, abersie lächelte und ließ ihm keine Zeit zur Antwort. »Keine Angst. Ich sehe in beidem nicht meine Zukunft. Ich könnte den Hof auch zu Geld machen, in die nächste Stadt gehen und dort mein eigenes Geschäft aufmachen: Wenn ich das Aufnahmegeld bezahle und den Bürgereid leiste, würde man mich zu einer Bürgerin machen.«
    »Ihr könntet nach Köln kommen«, schlug Philipp vor und wußte, daß er auf der Hut sein mußte mit dem, was er sagte. »Die Stadt hat bereits Garnmacherinnen, Goldspinnerinnen und Seidenstickerinnen. Die Rechtsfähigkeit von Frauen steht hier höher im Kurs als anderswo. Ich weiß nicht, wie es darum bei Euch drüben bestellt ist.«
    Aude betrachtete ihn nachdenklich. Er sah mit Kummer, daß ihre Züge sich verschlossen. »Worüber diskutieren wir hier? Heute morgen haben wir meinen Gemahl beerdigt. Ich sollte mich schämen.« Sie trieb das Pferd an und ritt ein paar Schritte voran. Diesen Abstand hielt sie ein, ohne sich nochmals zu Philipp umzudrehen, bis die Sonne im Westen versank und die über dem Horizont hängenden Wolkenstreifen sich in schwarze Muster vor dem tiefroten Hintergrund verwandelten. Langsam trabte er neben Galbert und Dionisia her, die sie auf ihrem Pferd festgebunden hatten, damit sie nicht herunterfallen konnte. Die Frage, die er eigentlich hatte stellen wollen, war ihm nicht über die Lippen gegangen.
    Der Torwächter ließ sie nur noch mit unzufriedenem Brummen hinein und machte sich sofort hinter ihnen mit großem Aufwand daran, das Tor zu verriegeln. Es war schwer zu entscheiden, was er mehr fürchtete: einen Überfall von mordgierigem Gesindel oder das Eintreffen weiterer Reisegruppen. Die Saison hatte nun auch das Kloster erreicht, und Bastulf, der Pächter der Herberge, hatte alle Hände voll zu tun, um die

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