Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
kann uns Johannes unterstützen. Laßt ihn. uns aufsuchen. Er muß uns helfen, Geoffrois Geheimnis zu finden.«
»Und was damit tun? Den Kampf zwischen Kaiser und Kirche zugunsten des Kaisers beenden? Schlagt Euch das aus dem Kopf, Aude. Selbst wenn wir eine Chance dazu hätten, müßten wir uns in ein Spiel einmischen, das offensichtlich schon seit Jahren geführt wird. Euer Mann kannte die Spielregeln, und trotzdem ist er tot. Wie lange würdet Ihr uns geben, da wir nicht einmal wissen, was es bei diesem Spiel zu gewinnen gibt? Und was das Kloster betrifft: Da müssen höchste Kreise in der Klosterverwaltung in die Geschichte verwickelt sein. Die haben gerade auf uns gewartet. Wir würden ins Messer rennen wie das Lamm zum Schlachter.«
»Es geht mir nicht darum, dem Kaiser oder dem Papst zu helfen. Es geht mir darum, daß man meinen Mann zu Tode gequält hat. Und wer immer es getan hat, muß zur Rechenschaft gezogen werden.«
»Die es getan haben, liegen hier begraben.«
Aude schnaubte verächtlich. »Die es getan haben, ja. Aber nicht die, die es angeordnet haben.«
»Wer sagt Euch, daß es außer Radolf und Ernst noch jemand anderen in der Geschichte gibt? Vielleicht bestand das Geheimnis nur zwischen ihnen und Eurem Mann? In diesem Fall hätten sie es alle miteinander mit ins Grab genommen.«
»Ihr glaubt das ebensowenig wie ich.«
»Was ich glaube, ist, daß man Euch das Haar noch ein wenig mehr kürzen wird, wenn Ihr Euch einmischt. Und zwar bis zu den Schultern!« rief Philipp hitzig.
»Deshalb bitte ich Euch ja um Hilfe.«
»Ich hänge zufällig auch ein wenig an meinem Kopf.«
»Philipp, die Dame hat recht«, mischte sich Galbert ein.
»Ich verstehe zwar nicht, worum es hier geht, aber ich kann mir gut vorstellen, daß sie herausfinden will, wer ihren Mann umgebracht hat. Außerdem hat unser Herr uns aufgetragen, ihr das Geleit zu geben. Und wenn sie zum Kloster will, geleiten wir sie eben dorthin.«
»Ach, ich freue mich, daß du die Sache für dich schon entschieden hast«, rief Philipp höhnisch.
»Da muß ich nicht lange nach einer Entscheidung suchen,wenn unser Herr uns etwas befiehlt. Wir können morgen bei Tagesanbruch aufbrechen, Dame Aude. Philipp kann ja hierbleiben und die unselige Mörderin unten in der Küche hüten.«
»Den Teufel werde ich tun!« rief Philipp und vergaß, daß er sich in der Kapelle in der Gegenwart zweier Toter befand. »Was mischst du dich überhaupt ein, du Küken? Wir reiten morgen alle zusammen ins Kloster! Und wenn sie mich neben dir aufhängen, weiß ich schon meinen letzten Wunsch: daß ich dir aufs Hirn kratzen darf: Ich hab’s ja gleich gesagt! «
Galbert zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. Philipp sah zu Aude und hatte plötzlich das ungewisse Gefühl, daß die trauernde Witwe und der tumbe Galbert ihn genau dorthin manövriert hatten, wo sie ihn haben wollten. Selbst der stumme Leichnam schien seine Rolle in der Posse gespielt zu haben. Aufgebracht stapfte er aus der Kapelle, ohne sich nochmals umzudrehen. Die beiden frischen Grabstellen, Radolfs zugeschaufelte und Minstrels aufgebrochene, gähnten ihn aus der abendlichen Finsternis an. Seine Verwirrung verwandelte sich in düstere Furcht, noch bevor er über Galberts Bauernverschlagenheit grinsen konnte.
Plötzlich fiel ihm ein, daß er über den Fund von Minstrels Leichnam eigentlich hätte erleichtert sein müssen. Er war nun kein Mörder mehr.
Aude packte in Dionisias Kammer ihre Kleidung und was sich an persönlichem Besitz des Mädchens identifizieren ließ, in die Packtaschen, die neben den Sätteln im Stall gehangen hatten. Dionisia ließ diese Prozedur uninteressiert an sich vorübergehen, wie sie auch der Diskussion um ihr Schicksal kein Interesse entgegengebracht hatte. Audehatte sich schließlich mit ihrer Meinung durchgesetzt, das Mädchen müsse in ein Frauenkonvent gebracht werden, entgegen Philipps Ansicht, sie auf dem Hof seines Herrn unterzubringen. Er hatte sich Aude angeschlossen, nachdem ihm klargeworden war, daß mit Dionisias Anwesenheit auf Raimunds Hof, ganz egal, ob und wie sehr sie sich jemals erholen würde, weder für ihn noch für sie der Alptraum je ein Ende finden würde.
Dionisia hatte bis jetzt noch kein Wort gesprochen und kein Zeichen des Erkennens gegeben, auch als Philipp an diesem Morgen längere Zeit auf sie eingeredet hatte. Sie hatte ihren Vater und ihren Geliebten gerächt und die alte Frau, unter deren Obhut sie aufgewachsen war und die sie
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