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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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sich weh, weher noch um Aude als um den Toten, und ihre mühsamen Versuche, ihre Beherrschung zu erhalten, drückten ihm das Herz ab.
    »Ich möchte, daß Ihr mich ein paar Augenblicke mit ihm allein laßt«, preßte sie hervor. »Versteht Ihr das?«
    »Natürlich. Ich werde Fackeln aus dem Haus holen. Wenn Ihr Euch verabschiedet habt, will ich ihn mit Galberts Hilfe über Nacht in der Kapelle aufbahren und morgen früh begraben.« Sie gab keine Antwort, und er stapfte davon.
    Es war nicht die Gelegenheit für Konventionen. Im Haus stieg er die Treppe zu Dionisias Kammer hinauf, öffnete die Tür und fand, wie er bereits vorausgesehen hatte, Ernsts Bärenfell. Er schleppte es in den Keller hinunter, wo Galbert erschrocken aus einem halben Dösen auffuhr, und legte es über Dionisias neben dem Feuer schlafende Gestalt. Er sah in ihr Gesicht, das nicht einmal im Schlaf entspannt war, und betrachtete die Fäuste, die sie wie ein kleines Kind vor der Brust angezogen hatte. Wie ein kleines Kind – plötzlich war ihm klar, daß sie dies noch immer war. Das kleine Kind, das immer auf geheimnisvolle Weise gewußt hatte, daß der Mann, der zu ihm und seiner Mutter zurückgekehrt war, nicht sein Vater war; und dessen Seele in diesem Wissen, in diesem nie wirklich gelöstenGeheimnis steckengeblieben war. Er wußte jetzt, warum das einzige, das Dionisia aus dem Haus der toten Frau im Dorf genommen hatte, das Kinderkleidchen gewesen war. Einmal mehr suchte er nach der Liebe, die er für sie empfunden zu haben glaubte; aber die Wärme, die er spürte, verband sich nur mit der entsetzten, fassungslosen Frau draußen vor dem offenen Grab. Er flüsterte mit Galbert, und dieser rappelte sich seufzend auf und folgte ihm mit zwei brennenden Fackeln nach draußen. Sie hoben den Toten aus der Grube und legten ihn neben dem Leichnam der Alten in der Kapelle ab, gefolgt von der schweigenden Aude. Philipp schaufelte zwei Handvoll feuchter Erde aus dem Boden und machte zwei kleine Kegel auf den Boden der Kapelle, an die er die Fackeln anlehnte. Galbert kratzte sich am Kopf und bekreuzigte sich dann. Aude stand im Eingang neben der zerschmetterten Tür und sah blicklos in die zuckenden Flammen. Philipp wischte sich die Hände an seinem Hosenboden ab und erinnerte sich an die Gebete, die im Kloster gesprochen worden waren, wenn ein Bruder von ihnen ging. Er wollte eines davon aufsagen, aber plötzlich schienen ihm die Floskeln zu schal, und der Trost, den die bekannten Formeln den Trauernden spenden sollten, konnte seine Wirkung nicht entfalten. Schließlich sagte er das, was ihm gerade in den Sinn kam. »Ich wollte, ich hätte eine Chance gehabt, noch einmal mit ihm zu sprechen.«
    Er hörte Audes Seufzen und sah, wie ihr die Tränen erneut aus den Augen traten, zwei glitzernde Spuren im Fackellicht. Merkwürdig – plötzlich schien er nicht mehr imstande, die schlechten Erinnerungen an Minstrel hervorzuholen; statt dessen sah Philipp, wie er Minstrel vom Boden aufhalf, hörte sich lachen, als Minstrel von seinerunruhigen Nacht in der Kammer des Wirts erzählte. Er atmete tief ein, steckte die Hände in sein Wams und wandte sich ab. Seine Finger spielten mit dem zerknäuelten Stück Pergament, das Ernst für Radolfs Untergang vorgesehen hatte und das letztendlich auch dazu geführt hatte. Dann fiel ihm ein, daß er dieses Schreiben geglättet und unter sein Hemd geschoben hatte. Er holte die kleine Kugel aus seiner Tasche und starrte sie begriffslos an.
    Nach einer Weile erinnerte er sich, daß es Minstrels Schuldschein war, und diese Erinnerung ließ den Kloß in seiner Kehle noch ein wenig größer werden. Er faltete das Knäuel auseinander, sah die verwischten Buchstaben von Minstrels Schuldanerkenntnis und darunter die schwachen, abgeriebenen Zeilen des ursprünglichen Schriftstücks. Leise trat er nach vorne und legte das Stück Pergament auf den Leichnam.
    »Was ist das?« fragte Aude.
    »Ein Schuldschein, den Euer Mann mir gab für das Geld, das ich ihm vorstreckte«, erklärte Philipp widerwillig.
    »Ihr könnt ihn bei mir einlösen.«
    »Ich habe nicht vor, ihn einzulösen. Ich gebe ihn zurück.«
    »Dann gebt ihn mir. Er ist das letzte Lebenszeichen Geoffrois. Ich möchte ihn gerne behalten.«
    Er reichte ihn ihr hinüber. Sie hielt ihn so, daß das Licht der Fackeln darauffallen konnte, und überflog ihn. Dann drehte sie den Schein unwillkürlich hochkant, hielt ihn gegen das Fackellicht und versuchte die Schrift darunter zu

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