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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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wandte sich hastig ab und zog sich weiter aus, ihre Finger ungeschickter denn je. Philipp beobachtete sie mit wehem Herzen. Als sie sich endlich von ihrem Kleid gelöst hatte und es zu Boden fallen ließ, um das Hemd abzustreifen, schloß er die Augen. Er hörte sie rascheln und seufzen, als sie sich nackt in die kratzige Kutte hineinwand, aber er tat keinen Blick.
    »Ich bin fertig«, sagte sie schließlich. Sie hatte bereits die Kapuze übergestreift. Alles, was man von ihrem Gesicht sah, waren ihr Mund und ihr Kinn, der Rest lag im Schatten des groben Stoffes. Thomas’ Kutte reichte ihr nicht ganz bis zu den Knöcheln. Erst jetzt fiel Philipp auf, wie groß sie war. Ihre schlanken Fesseln und bloßen Füße waren schneeweiß unter dem ausgefransten Rand der Kutte. Zu spät fiel ihm ein, daß ihm Jphannes die klapprigen Sandalen des Toten nicht mitgegeben hatte.
    »Wie die Künstlervorlage für das Wandgemälde einer Barfüßerkapelle«, sagte er mit schiefem Grinsen.
    »Ihr könnt die Decke wieder herunternehmen«, erwiderte sie und stapfte vorsichtig mit ihren nackten Füßen an ihm vorbei. »Wickelt mein Kleid darin ein.«
    Galbert lachte, als sie wieder aus dem Gebüsch hervortraten, bis Philipp ihm klarmachte, daß er seinen Platz auf dem Maultier mit Aude zu tauschen und statt dessen ihr Pferd zu reiten habe.
    »Es ist eine Stute«, beschwerte er sich.
    »Ja, deshalb müßt ihr tauschen. Hast du schon einmal einen Mönch auf einer Stute gesehen?«
    »Hast du schon einmal einen Knecht auf einer Stute gesehen?«
    »Nein, aber einen Knecht zu Fuß habe ich schon gesehen. Mach jetzt endlich, daß du in den Sattel kommst, wenn du nicht hinter uns herlaufen willst.«
    Galbert schwang sich fluchend auf den Rücken der Stute und quetschte sich in Audes schmalen Sattel. Aude stand unschlüssig neben dem Maultier, unsicher, wie sie es besteigen sollte. Dann bückte sich Philipp neben ihr und machte aus seinen Händen einen Steigbügel. Das rauhe Fell des Maultiers berührte die empfindliche Haut an der Innenseite ihrer Oberschenkel, und sie saß ohne schützenden Stoff dazwischen direkt auf dem warmen Leder des Sattel. Es war ein ungewohntes Gefühl. Sie rutschte im Sattel hin und her und versuchte, ein wenig Stoff von der Kutte unter ihren Schritt zu schieben, aber die kratzige Wolle war noch unangenehmer. Galbert beobachtete sie mit nachdenklichem Gesicht, und sie fragte sich, ob seine Gedanken bei ihren Beinen waren, die fast bis zu den Knien hinauf entblößt waren.
    Noch bevor sie verlegen werden konnte, tat er etwas Erstaunliches: Er grinste und machte das Kreuzzeichen, wie man es tat, wenn man einem echten Mönch begegnete. Die Geste war so ähnlich den Gesten, mit denen Philipp verlegene Momente zu überspielen versuchte, daß Galbert sie nur von ihm abgeschaut haben konnte.
    »Der Damm ist frei; reiten wir weiter«, sagte Philipp und warf Aude noch einen Blick zu. »Geht’s, Bruder Aude?« fragte er dann.
    »Ihr werdet was zu beichten haben, wenn wir angekommen sind«, sagte sie und trieb das Maultier an.
    Nicht lange danach holten sie die Pilger wieder ein. Einige Dutzend Schritte voraus beschatteten zwei hohe Eichen mit dichtem Gebüsch um ihre Stämme herum den Weg, und die Reisenden schienen sich dort im Schatten zu drängen. Die Sonne war auf dem Weg zu ihrem Zenit, und die Luft flirrte über den Wiesen und Feldern. Der Wegpunkt lag in einer Biegung der Straße, in einem Gelände, in dem Wiesen, Brachland und Hecken überwogen. Philipp wollte sein Pferd vom Weg herunter treiben, als einer der Pilger, die am Ende des Gedrängeis standen, ihn aufhielt.
    »Ihr müßt hier durchreiten«, erklärte er.
    »Und wer sagt das?« erkundigte sich Philipp unfreundlich.
    »Man wird dort vorne kontrolliert.«
    Philipp und Galbert wechselten einen raschen Blick. Aude versuchte, nicht unter der Kapuze hervorzuspähen. Sie versteifte sich.
    »Von wem?« rief Galbert.
    Der Pilger hob die Schultern. »Wahrscheinlich Bewaffnete des Herrn, dem das Land gehört. Es heißt, daß jede Menge Wegelagerer hier ihr Unwesen treiben; vielleicht suchen sie nach diesen.«
    »Man sucht nach vier Berittenen, zwei Männern und zwei Frauen – oder Kerlen, die sich als Frauen verkleidet haben«, meldete sich ein zweiter Pilger. »Ich hab’s von Gefährten, die weiter vorne sind. Jeder wird ganz genau angesehen. Ich sage Euch, die Gesetzlosen, nach denen die suchen, laufen nicht mehr lange frei herum. Die tun ihre Arbeit

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