Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
will vermeiden, daß jemand sie findet und ihr etwas antut.« Bastulfs Augen wurden groß.
»Liebe Güte«, sagte er. »Wenn ihre Gesellschaft so gefährlich ist ...«
»... dann ist es am besten, du bringst sie so schnell wie möglich in ein Kloster.«
Bastulf warf unentschlossene Blicke zwischen Philipp und Aude hin und her und kratzte sich am Kopf. Philipp wandte sich ab und sah, wie Galbert mit den Pferden Audes und Philipps und seinem eigenen Maultier sich grob durch die im Hof umherwimmelnden Pilger drängte und seinen stampfenden, scheuenden Troß zum Tor zerrte. Aude schlang die Arme um ihren Oberkörper und musterte die Szene mit mißtrauischen Blicken.
»Also gut, ich mach’s«, erklärte Bastulf, über seinen Entschluß offensichtlich nicht besonders glücklich. »Seit du zurückgekommen bist, hatte ich mehr Aufregung als all die Jahre vorher. Zuerst Johannes’ merkwürdiges Gebaren, dann du ...«
»Was ist mit Johannes?« schnappte Aude.
»Später.« Philipp machte eine beschwichtigende Geste. »Bring das Mädchen in ein Kloster der Zisterzienserinnen, wo sie ihren Namen ablegen müssen; das verwischt die Spuren noch zusätzlich. Wenn sie dich nach ihrem wirklichen Namen fragen, sagst du, er laute ...«, Philipp fuhr ungeduldig mit den Händen durch die Luft, »... sag, sie heißt Frida.« Er grinste verzerrt und warf Aude einen Blick zu. »Das kann ich mir wenigstens merken. Die Pferde, die ich zurückgelassen habe, gehören ihr. Gib sie dem Klosterals ihre Morgengabe. Dann werden sie dir ohnehin kaum noch irgendwelche Fragen stellen.«
»Sag mir wenigstens, warum man ihr etwas antun will«, rief Bastulf.
»Weil ihr Leben nur ein völlig unbedeutendes Fünkchen in einem Feuer ist, das bereits einige andere Leben verschlungen hat und das sich zu einem Flächenbrand ausweiten wird.«
»Ein Feuer? Aber wer schürt es denn?«
Philipp erinnerte sich an einen Ausspruch Minstrels. »Die Ratten«, sagte er grimmig.
Wegelagerer
S ie drängten sich mit den Pilgern zum Tor hinaus. Galbert befand sich abseits der Straße, saß bereits auf seinem Maulesel und blickte ihnen aufgeregt entgegen. Philipp sah, daß er unwillkürlich nach Dionisia Ausschau hielt. Er spürte die Berührung von Audes Körper an seiner Seite, die durch das Gedränge dicht an ihn gepreßt wurde. Sie schwieg, nachdem sie ihn zuerst mit Fragen überschüttet hatte. Diesmal hatte er ihr nichts verschwiegen. Angesichts der Tatsache, daß ihr Gefahr drohte, hatte sie nichts gesagt. Fast hatte Philipp erwartet, daß sie sagen würde, er und Galbert sollten sie allein lassen, da man offenbar nur nach ihr suchte, aber auch das hatte sie nicht getan. Philipp war froh darüber; es zeigte ihm, daß sie imstande war, die Situation richtig einzuschätzen und vor allem willens, ihn als Gefährten anzusehen. Sie hatte auch nicht die Richtigkeit von Johannes’ Empfehlung in Frage gestellt, so wenig, wie Philipp dies tat. Wenn ihn eines davon überzeugt hatte, daß Johannes ihn nicht in die Irre schickte, dann war es die glatte Lüge gewesen, die der Kämmerer seinem Abt aufgetischt hatte. Er war aufgebracht und besorgt darüber, daß er mit Johannes nicht mehr hatte sprechen können. Er sagte sich vor, daß der Kämmerer vorsichtig genug gewesen war, sich nicht zu verraten. Und er fragte sich zum tausendsten Mal, woher die Gefahr drohte.
»Wo ist Radolfs Tochter?« fragte Galbert.
»Bastulf bringt sie ins Kloster.«
»Aber ich dachte, du ... ?«
»Wir können uns nicht mit ihr abschleppen. Bastulf kümmert sich um sie.«
»Vielleicht sagst du mir endlich mal, weshalb wir uns so beeilen müssen«, klagte Galbert.
»Man sucht nach mir«, erklärte Aude ruhig.
»Wer?«
»Ich weiß es nicht«, stieß Philipp hervor und schwang sich in den Sattel. Dann sprang er wieder ab und half Aude, sich in ihren Sattel zu setzen. Er biß die Zähne zusammen. Schnelligkeit war die eine Sache – Panik die andere. Denk schnell, aber denk! sagte er sich. »Die Kerle, die Minstrel jeden Finger einzeln gebrochen haben ...« Er starrte zu Aude nach oben und ließ die Schultern sinken. Denk! »Das wollte ich niemals sagen«, erklärte er betroffen.
Aude nickte. Um ihre Mundwinkel erschien ein harter Zug.
»Ich weiß, daß er keinen schönen Tod gestorben ist«, sagte sie.
»Das zu wissen und die Einzelheiten zu hören sind zwei Paar Stiefel«, brummte Philipp und kletterte endlich auf sein Pferd. Er überprüfte den Sitz des Bündels, in dem sich die Kutte
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