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Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka Ehrbar
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löse ich den Knoten.
    Wieder ein Zettel, in den ein kleiner, glatter, runder Stein eingewickelt ist. Ich lese: „Ein kleiner Stein aus unserem Garten. Ich bin so froh, wenn du wieder hier bist. Du auch?”
    Oh ja! Ich freu mich schon darauf. Vermutlich wird dann der Flieder blühen und die Enten schnatternd ihren Nachwuchs beschützen und...
    Schluss damit, sonst bekomme ich noch Heimweh, immerhin liegen noch etwa 260 km zwischen mir und Santiago de Compostela. Rasch knote ich den Stein aus Erlenbach wieder ein.
     

17. Wandertag: Santa Catalina – El Acebo – 30 km
     
    Margret und Ruedi haben wohl verschlafen. Bis die beiden ihre Sachen gepackt und gefrühstückt haben, inspizieren Inka und ich das Dorf.
    Zunächst ist alles still bei unserem Rundgang. Doch plötzlich schießt eine Horde schlecht erzogener Artgenossen auf uns zu und kläfft wie verrückt. Inka ist nicht wirklich in Gefahr. Ich brauche mich bloß ein wenig aufzubäumen und schon kuschen die dämlichen Köter. Argwöhnisch blicken sie hinter uns her.
    Unsere Schweizer Freunde sind inzwischen zum Abmarsch bereit. Nachdem wir in der Beiz den Schlüssel zu unserem Nachtquartier abgegeben haben, verlassen wir das Dorf und kommen an einer Viehweide vorbei.
    Pfoten mäßig links von mir steht ein Esel am Zaun und glotzt mich so blöd an, als hätte er noch nie in seinem Leben einen Hund gesehen. Während ich ihm unmissverständlich die Meinung geige, ihm klarmache, was ich von ihm und seinen Verwandten halte, fängt der doch tatsächlich an, mit seinen langen Ohren zu wackeln.
    Als er dann jeden meiner Sätze lauthals mit einem stupiden ,Ia’ bestätigt, lasse ich ihn einfach stehen.
    Aber ich will nicht ungerecht sein. Vermutlich war er von mir ziemlich beeindruckt, denn schließlich begegnet er nicht jeden Tag einem Hund, der so weit gereist und weltgewandt ist, wie ich es nun mal bin.
    Unermüdlich marschieren wir bergauf und erreichen bald ein gottverlassenes Dorf.
    Ruedi und Margret unterbrechen hier ihre Wanderung und wollen mal länger ausruhen.
    Es ist lausekalt. Im Dorf erzählt man uns, es sei trotz des Schnees möglich den Pass zu überqueren. Ich kann es kaum erwarten und treibe Inka zur Eile an.
    Ja, und dann ist es soweit. Schnee, wie versprochen. Die kleinen, weißen Flecken werden zunehmend größer und bilden irgendwann eine geschlossene Schneedecke. Die ist so hoch, dass ich regelrecht springen muss, um überhaupt durchzukommen.
    Ein wirklich abenteuerliches Vergnügen.
    Aber was ist das?
    Bilde ich es mir nur ein oder tragen die Blüten und Blätter des Heidekrauts tatsächlich Helme aus süßer Sahne? Ich schnuppere und schlecke. Igitt! Gefrorenes Wasser, das nach gar nichts schmeckt. Schnell weiter, sonst frieren meine Pfoten am Boden fest.
    Nachdem wir einen Hügel mit Eisenkreuz passiert haben, geht es immer bergab, und das heißt für uns, nach und nach Abschied nehmen vom Schnee.
    Ja, und jetzt liege ich hinter einem warmen Ofen und ärgere mich ein wenig über mich selbst. Ich muss wohl schneeblind gewesen sein. Wie hatte ich bloß die Schneeungeheuer vergessen können?
    Sie zu jagen, das wäre ein Heidenspaß gewesen! Na ja, vielleicht ein anderes Mai.
     
    Das Wetter sieht nicht besser aus als gestern. Dicke schwarze Wolken versuchen sich über die Montes de Leon zu wälzen.
    Auf den ersten Blick ist Santa Catalina, das wir nun hinter uns lassen, ein hübsches Dorf mit Häusern, deren Fenster und Türen blau gestrichen sind. Beim näheren Hinschauen stelle ich fest, dass die Farbe bröckelt und die meisten Häuser unbewohnt sind. Von den etwa 500 Menschen, die hier einst gelebt haben, sind knapp 40 übrig geblieben. Während die jungen Leute, die keine Arbeit fanden, längst in die Stadt und zum Teil in andere Erdteile gezogen sind, werden die älteren bleiben und bis zu ihrem Tod ausharren.
    Der Weg führt uns durch mehrere solcher Dörfer, die allmählich zerfallen. Und ich begegne, wenn überhaupt, ausschließlich alten Leuten.
    In Rabanal del Camino verabschieden sich Margret und Ruedi, da sie einen Ruhetag einlegen wollen.
    Die Zeit mit den beiden war eigentlich angenehm. Aber wenn man gemeinsam etwas unternimmt, muss jeder auf den anderen Rücksicht nehmen. Es gilt sich anzupassen, ob man will oder nicht. Man vereinbart mit Blick auf die Uhr eine bestimmte Zeit, zu der man losgehen will, zu Abend isst und...
    Ich werde die Gespräche mit den beiden wahrscheinlich vermissen, aber zugleich freue ich mich, wieder allein

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