Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka Ehrbar
Vom Netzwerk:
Margret und Ruedi vertrauen sich bedenkenlos meiner Führung an. Recht so, denn solange ich sie nach allen Seiten hin absichere, kann ihnen wirklich nichts passieren.
    Demnach keine besonderen Vorkommnisse.
    Erst als Inka die Stadt Astorga an kündigt, halte ich es für ratsam, wenigstens sie an die Leine zu nehmen.
    Sicher ist sicher.
    Trotzdem kann ich es nicht verhindern, dass all meine Reisebegleiter vor dem strömenden Regen in eine kleine Bar flüchten. Na gut, sollen sie ein wenig trocknen und verschnaufen.
    Während der Regen allmählich weniger wird, kommt heftiger Wind auf, der mir, ich gebe es zu, ganz schön zusetzt.
    Aber deshalb muss man doch nicht gleich umkehren, wie die beiden Radfahrer, die uns entgegenkommen.
    Sie erzählen, auf dem nächsten Pass liege zu viel Schnee, da gäbe es kein Durchkommen.
    Papperlapapp. Zu viel Schnee, das gibt’s gar nicht. Für mich wäre Schnee jetzt gerade richtig. Also nichts wie weiter.
    Die Landschaft lässt sich leicht überblicken. Aber von Schnee ist weit und breit nichts zu sehen. Deshalb kümmere ich mich lieber mal um den Wildbestand.
    „Geh weg da, das stinkt ja bestialisch!“, schreit Inka und rümpft die Nase.
    Diese Frau hat ja keine Ahnung, soll sich mal nicht so haben, schließlich stöbere ich nicht jeden Tag einen... Berglöwen auf. Natürlich, ein panthera leo, eine der gefährlichsten Großkatzen, die...
    „Tila!“, schreit Inka wieder.
    Reg dich nicht so auf. Ist ja schon gut!
    Schlecht dagegen finde ich, dass sie petzt. Warum klärt sie unsere beiden Eidgenossen auf und erzählt, dass es sich bloß um ein Skelett handelt, mit dem ich gerade kämpfen wollte? Spielverderberin!
    Für mich ist der Tag gelaufen.
     
    Es ist ein wahres Vergnügen fern der Landstraße durch die Ebene zu wandern, die nach und nach hügeliger wird.
    Bäume, Sträucher und das Gras der Wiesen saugen sich mit Wasser voll. Obschon es in Strömen regnet, sehe ich bereits von weitem das Kreuz von Santo Toribio und ahne unter den dunklen, dichten Wolken die nächste Stadt: Astorga.
    Aber zuvor kommen wir in den Ort San Justo de la Vega. Nachdem Margret und Ruedi ein gutes Wort für Tila eingelegt haben, dürfen wir uns in der kleinen Bar aufwärmen.
    Der Kaffee ist heiß und tut gut. Allmählich löst sich die Starre aus meinem Gesicht und meinen Händen.
    Als wir aufbrechen, trommelt wieder der Regen auf meine Schultern. Ich ziehe die Kapuze meines Regenanzugs fest um den Kopf, doch der Wind weht mir weiter eisige Schauer ins Gesicht.
    Von Astorga sehen wir bei dieser ungemütlichen Witterung nahezu nichts, außer der Kathedrale und einem kleinen Lokal, wo wir pausieren.
    In der hügeligen Landschaft von Maragateria bricht dann zum ersten Mal an diesem Tag die Sonne durch, aber das Gehen wird immer beschwerlicher. Die Wege sind aufgeweicht, breite Reifenspuren haben sich mit Wasser gefüllt und die rote Erde klebt an den Schuhen.
    Am frühen Nachmittag erreichen wir Santa Catalina de Somoza. Auf den Straßen ist keine Menschenseele zu entdecken. Die Einwohner scheinen sich in ihre Häuser, die überwiegend aus Bruchstein geschichtet sind, verkrochen zu haben.
    Den Schlüssel zur Herberge, die in einer ehemaligen Dorfschule untergebracht ist, wird uns von einem jungen Mann in der Dorfbar ausgehändigt.
    Dort essen wir am Abend eine gute Suppe.
    Während Ruedi und Margret Karten spielen, versuche ich zu telefonieren. Doch der Akku meines Handys ist leer. Das einzige Telefon des Dorfes befindet sich zum Glück im Haus gleich nebenan.
    Es ist mit einem Zählwerk ausgestattet. Obschon es aus vorsintflutlicher Zeit zu stammen scheint, funktioniert es tadellos. Walti ist jedoch nicht zu Hause. Deshalb versuche ich es bei seiner Mutter. Sie meldet sich auch sofort und scheint wohlauf zu sein, denn sie scherzt mit mir. Sie will über alles reden, bloß nicht übers Krankenhaus; dann reicht sie den Hörer weiter. Auch Walti hört sich sehr gut an. Ich freue mich, mit ihm zu reden und darauf, ihn recht bald wiederzusehen.
    Bevor ich zu Bett gehe, habe ich das Bedürfnis, einen weiteren Knoten aus Waltis Taschentuch zu öffnen.
    Nachdem ich bereits eine weiche Ecke aufgeknotet habe, entscheide ich mich diesmal für eine harte. Aber für welche? Die eine Form fühlt sich rund und sehr flach an, wie eine winzige Uhr. Die andere ist ebenfalls rund. Ich denke an eine Murmel, eine Spielkugel aus meiner Kindheit.
    Dieser Gegenstand interessiert mich am meisten.
    Nach altbewährter Methode

Weitere Kostenlose Bücher