Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Rohrbach
Vom Netzwerk:
Pilgerzentrum, konstruierte die Kirche und die Herberge, legte Wege an und baute Brücken über viele Flüsse. Alles praktische Tätigkeiten. Mit 83 Jahren starb er im Jahr 1163.« »Das klingt, als sei er ein zweiter Santo Domingo gewesen? Haben sich die zwei gekannt?« fragt Atze.
    »Natürlich kannten sie sich«, antwortete der Pfarrer. »San Juan de Ortega war doch ein Schüler des Santo Domingo gewesen.«
    Der Priester zeigt uns die romanische Kirche. Innen das prunkvolle Schaugrab des San Juan de Ortega. Eine liegende Alabasterfigur ist von einem spätgotischen Baldachin überdacht. Von Isabella der Katholischen wurde das Grabmal 1474 in Auftrag gegeben. Damals war Boabdil, der letzte arabische Sultan in Granada, besiegt und die fast 800 Jahre dauernde islamische Herrschaft beendet worden. Die Katholischen Könige Isabella und Ferdinand befehligten nun ganz Spanien. Der rechte Moment, sich auf die Vergangenheit zu besinnen und die Taten der Wegbereiter wie San Juan de Ortega zu rühmen, damit augenfällig wurde, daß der Kampf gegen die Mauren und die Wiedereroberung Spaniens ein gottgefälliges Werk war.
    »Der Name Ortega ist umstritten«, sagt der Pfarrer. »Manche behaupten, er stamme von Ortiga, was Brennessel bedeutet. Ich glaube aber, mit Ortega ist das Birkhuhn gemeint. Früher gab es viele Birkhühner in den Oca-Bergen.«
    »Klingt etwas komisch, nicht wahr«, flüstert mir Atze ins Ohr, »der heilige Juan vom Birkhuhn.«

    »Ich finde, der Heilige von der Brennessel ist noch lustiger«, gebe ich zurück.
    Das ehemalige Kloster, das die Augustiner nach dem Tode San Juans in seiner Einsiedelei errichteten, ist nicht so gut erhalten wie die Kirche. Das Dach hat viele Löcher und die Mauern zerbröckeln.
    »Sobald genug Geld da ist«, prophezeit der Pfarrer, »wird das Kloster restauriert und zum Parador ausgebaut.«
    Die Paradores sind teure Hotels, bei denen trotz aller Originalität Geschichte nur noch Fassade ist, die benützt wird, um reiche Gäste anzulocken. Auch in Santo Domingo wurde das ehemalige Pilgerhospiz zum Parador Nacional umgebaut. Ich ging hinein. Tatsächlich, da war noch die alte Bausubstanz: meterdicke Steinmauern, Säulen und Gewölbe. Dennoch wirkte alles künstlich in Szene gesetzt. Argwöhnisch beäugte mich der Mann an der Rezeption, was jemand in meinem Aufzug wohl in seinen heiligen Hallen verloren hätte. Mißtrauisch schickte er mir einen Lakaien hinterher. Ich hoffe, es möge noch lange kein Geld für den Ausbau des Klosters vorhanden sein und bin dann auch sehr geizig mit meiner Spende für Übernachtung und Verköstigung. Denn wie in alten Zeiten gibt es keinen festen Satz, sondern die Bezahlung ist dem Gewissen und dem Geldbeutel des einzelnen anheimgestellt. Wenn hier ein Parador entsteht, dann wird auch eine Straße nach San Juan de Ortega gebaut werden. Jetzt atmet der Klosterhof noch die Stille vergangener Zeit. Bald werden hier Autos parken und die Luft mit ihren Abgasen verpesten.
    Es ist Nacht. Eine schmale Mondsichel. Dunkel hebt sich der Glockenturm gegen den bestirnten Himmel ab. Deutlicher als am Tag erkenne ich hoch oben an der Kirche archaische Fratzengesichter, mystisch vom schwachen Mondlicht beschienen.
     

 

14 Von San Juan de Ortega bis Silos
     
    Herb, stolz, abweisend, kahl und karg, das sind Assoziationen, die sich mir beim Wandern in Kastilien aufdrängen. Weit nach Süden bin ich vom Pilgerweg abgewichen, vielleicht, um der Stimmung in Burgos zu entgehen oder auch nur, um es den Pilgern im Mittelalter gleichzutun, die das berühmte Kloster Silos besuchten.
    Es muß an mir liegen, daß mir die Städte regelrecht zur Katastrophe werden. Pamplona war der Auftakt der Negativerfahrungen: nach der Pyrenäeneinsamkeit und dem Frühlingserwachen eine lärmende Qual. Estella, dieser Zwiespalt zwischen romanischen Kapitellen und Fortschrittswahn. Logroño bewältigte ich dank Jesus' Hilfe, statt mich dem Häuser- und Straßengewirr auszusetzen, lauschte ich seinen Erzählungen über Cesare Borgia im Park und ließ mich zu Don Rafael bringen. In Burgos half mir niemand und diese Stadt war gräßlicher als die vorherigen.
    San Juan de Ortega verließen wir zu viert - bis Burgos waren es zwanzig Kilometer. Gemeinsames Wandern über Berghöhen. Kalkgestein und zarte blaue Blumen. Wolkenloser Himmel mit einer brennenden Sonne darin. Mitten im Gebirge die Bauerndörfchen Ages und Atapuerca. Bei Villafría, fünf Kilometer vor Burgos, mündete der Pilgerweg in

Weitere Kostenlose Bücher