Der Janson-Befehl
größere Fluggesellschaften offensichtlich zu schätzen wussten. An einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit, überlegte Janson, hätte man derartige Schulterstücke nach reichlichen Kampfeinsätzen verliehen bekommen.
Eine der Frauen hatte gerade mit einem korpulenten Mann mit Hängebacken gesprochen, der einen offenen blauen Blazer trug und an dessen Gürtel ein Pager zu sehen war. Über der Innentasche seines Jacketts blitzte eine Plakette und verriet Janson, dass der Mann ein Inspektor der Luftfahrtbehörde war, der offenbar gerade in einer Umgebung, wo sympathische Gesellschaft zur Verfügung stand, eine kleine Pause eingelegt hatte. Die beiden Frauen und der Mann unterbrachen ihr Gespräch, als Janson auf sie zutrat.
»Ihre Bordkarte, bitte«, sagte die Frau und sah ihn an. Ihre puderig wirkende Bräune endete ein Stück unter ihrem Kinn, und ihre blonde Haarfarbe sah so aus, als stamme sie aus einer Flasche.
Janson zeigte sein Ticket und die Plastikkarte, die Pacifica ihren Vielfliegern zur Verfügung stellt.
»Willkommen im Pacifica Platinum Club, Mr. Janson«, flötete die Frau.
»Wir informieren Sie, wenn Ihre Maschine einsteigebereit ist«, ließ ihn die zweite Hostess - kastanienfarbenes, schulterlanges Haar und auf die blauen Applikationen auf ihrer Jacke abgestimmte Lidschatten - mit leiser, vertraulich klingender Stimme wissen. Sie deutete auf den Eingang zum eigentlichen Loungebereich, als wäre dieser Eingang das Tor zum Himmel. »Bis dahin wünschen wir Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.«
Ein aufmunterndes Nicken und ein strahlendes Lächeln: Petrus hätte es nicht vielversprechender machen können.
Zwischen funktionale Stahlträger und Glas eingezwängte Etablissements wie der Platinum Club von Pacifica waren Orte, an denen moderne Fluggesellschaften sich bemühten, der Crème de la Crème ihrer Kundschaft gerecht zu werden. Die kleinen Schalen, die dort herumstanden, waren nicht etwa mit gesalzenen Erdnüssen gefüllt, wie man sie les miserables in der Touristenklasse anbot, sondern mit den deutlich teureren Baumnüssen: Cashews, Mandeln, Walnüssen, Pekans. Auf einer mit einer Granitplatte belegten Getränketheke standen Kristallkrüge mit Pfirsichnektar und frisch gepresstem Orangensaft. Eleganter Mikrofaserteppichboden im Blaugrau der Fluggesellschaft bedeckte den Boden des Saals, den dunkelblaue und weiße Gitter in einzelne Sektionen unterteilten. Auf runden, zwischen wuchtigen Armsesseln verteilten Tischen lagen sauber gefaltete Exemplare des International Herald Tribüne, der USA Today, des Wall Street Journal und der Financial Times. Über einen Bloomberg-Bildschirm flackerten unverständliche Zahlengruppen und Bilder, schattenhafte Marionetten des globalen Wirtschaftsgeschehens. Durch schräg gestellte Jalousien konnte man die Flughafenpiste draußen nur ahnen.
Janson blätterte ohne sonderliches Interesse in den Zeitungen. Als er im Wall Street Journal den »Marktbericht« erreichte, ertappte er sich dabei, wie sein Blick über die vertrauten Schlagzeilen huschte: Ein Gemetzel an der Wall Street, wo profitgierige Investoren den Dow in die Tiefe getrieben hatten. Ein Sportkommentar in USA Today befasste sich mit dem Zusammenbruch der Angriffsreihe der Raiders »in dem massiven Sperrriegel der Vikings«. Und die ganze Zeit tönte aus unsichtbaren Lautsprechern der Gesang einer gerade populären Diva aus dem neuesten Hollywood-Kassenschlager, einem Film über eine legendäre Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Ein gewaltiger Aufwand an Studiogeldern und Computergrafik zu Ehren eines ebenso gewaltigen Aufwands an Blut und Schweiß.
Janson sank schwer in einen der Polstersessel und ließ seinen Blick über die Computeranschlüsse schweifen, wo leitende Angestellte von Weltfirmen ihre Laptops einstöpselten und auf der endlosen Suche nach Wichtigem E-Mails von Mandanten, Vorgesetzten, Interessenten, Mitarbeitern und Lebenspartnern abriefen. Aus ihren Aktenkoffern lugten die Rücken von Büchern, die Ratschläge von Sun Tsu und Konsorten für das Geschäftsleben anboten - die Kunst des Krieges neu verpackt für die moderne Geschäftswelt. Ein glattes, selbstzufriedenes, von nichts bedrohtes Völkchen, sinnierte Janson nach einem Blick auf die Manager und Geschäftsleute, die ihn umgaben. Wie diese Menschen doch den Frieden liebten und zugleich auch die Bilderfülle des Krieges! Für sie war die Romantik der Insignien des Militärwesens ohne Gefahr, so wie Raubtiere zum Zimmerschmuck
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