Der Janson-Befehl
Barry Cooper, derselbe alte Barry Cooper, an den er sich erinnerte: ein wenig schrullig und ein wenig verrückt, aber meist keines von beidem ganz. In seiner Jugend war das Verhältnis anders gewesen. Anfang der siebziger Jahre hatte er sich auf dem College als ein Radikaler etabliert, war im Laufe der Zeit in eine härtere, abgestumpftere Realität abgedriftet und schließlich Schritt für Schritt in den Untergrund geraten. Zerschlagt das System! Das war in jenen Tagen eine Grußformel gewesen, ein schlichter Gruß. Er hatte sich am College von Madison, Wisconsin, herumgetrieben und sich mit anderen zusammengetan, die klüger waren und eine ausgeprägtere Überredungsgabe als er besaßen, Leuten, die sein beginnendes Unbehagen mit den Untaten der staatlichen Autorität gefördert und zu kristallklarer, extremer Vollendung geführt hatten. Kleine Streiche, dazu bestimmt, die Hüter des Gesetzes zu ärgern, hatten sich schließlich zu extremeren Taten gesteigert.
Eines Tages hatte er sich in New York in einem Stadthaus in Greenwich Village befunden, als eine von jemand aus seiner Umgebung zusammengebastelte Bombe vorzeitig losgegangen war. Er war gerade beim Duschen gewesen und war anschließend eine Weile angesengt und rußgeschwärzt, aber im Großen und Ganzen unverletzt, halb benommen herumgegangen, bis man ihn schließlich verhaftet hatte. Als man ihn auf Kaution freiließ, stellte die Polizei fest, dass seine Fingerabdrücke zu denen passten, die man am Schauplatz einer anderen Bombenexplosion gefunden hatte, diesmal in einem Universitätslabor in Evanston. Das war nachts passiert, und es hatte keine Opfer gegeben, aber das war reines Glück gewesen, weil ebenso leicht ein Nachtwächter in dem Labor hätte sein können. Man erhob Anklage wegen Mordversuchs und Verschwörung gegen ein Bundesgesetz, und Coopers Kaution wurde widerrufen. Als es dazu kam, war er allerdings bereits aus dem Land geflohen, zuerst nach Kanada und später nach Westeuropa.
Und in Europa hatte ein weiteres Kapitel seiner etwas kuriosen Laufbahn begonnen. Die übertriebenen Berichte über ihn, die die amerikanischen Behörden in Umlauf gebracht hatten, wurden von den radikalen Gruppen der revolutionären Linken Europas für bare Münze genommen - dem Kreis, der mit Andreas Baader und Ulrike Meinhof in Verbindung stand und der in aller Form als Rote Armee Fraktion, informell als Baader-Meinhof- Bande bekannt war; der straff geführten Organisation, die sich die Bewegung des 2. Juni und in Italien die Rote Brigade nannte. Von der Romantik der städtischen Revolution berauscht, betrachteten diese Militanten den Amerikaner mit den zottigen Haaren als eine Art Jesse James der Neuzeit, einen Vorkämpfer der Revolution. Sie nahmen ihn in ihre Kreise und Diskussionszirkel auf, holten sich bei ihm Rat über Taktik und Techniken. Barry Cooper war von dieser Bewunderung angetan, aber seine Ratschläge nutzten nicht viel. Er wusste eine ganze Menge über die verschiedenen Marihuanavarianten - kannte sich darin aus, wie sich beispielsweise Sensimilla von Maui von Acapulco Rot unterschied -, hatte aber an den praktischen Aspekten der Revolution nur wenig Interesse. Weit davon entfernt, ein verbrecherischer Kopf jener Kreise zu sein, war er eher ein Mitläufer gewesen - jemand, dem es nur um Rauschgift und Sex ging. Er war viel zu benommen gewesen, um richtig zu begreifen, wie extrem seine neuen Kameraden waren - zu benommen, um zu begreifen, dass diese Leute das, was er für Schüler streiche hielt, das Äquivalent von Stinkbomben im Badezimmer, als Vorspiel zum gewalttätigen Aufruhr und dem Umsturz der existierenden Ordnung betrachteten. Als er sich bei den Revolutionären befand, behielt er das für sich, verbarg sich hinter weise klingenden Antworten. Seine Verschlossenheit und sein offenkundiges Desinteresse an ihren Aktivitäten verstimmte sie: Das zeigte doch wohl eindeutig, dass der amerikanische Terrorist ihnen entweder nicht vertraute oder sie als revolutionäre Vorkämpfer nicht genügend ernst nahm. Sie reagierten darauf, indem sie ihm ihre ehrgeizigsten Pläne vorlegten, ihn damit zu beeindrucken versuchten, dass sie ihm das ganze Ausmaß ihrer materiellen Mittel offenlegten und ihn über ihre Mitglieder informierten: die Verbindungsleute in Ost-Berlin, die Organisation in München, die ihnen finanzielle Unterstützung lieferte, den Bundeswehroffizier, der seine radikale Geliebte mit Waffen versorgte.
Im Laufe der Zeit wuchs Barry Coopers
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