Der Janson-Befehl
erklärte Cooper. »Bloß für dich.«
Radfahrer und Straßenkünstler: zwei Spezies, die in der Amsterdamer Altstadt niemand eines zweiten Blickes würdigte. Cooper konnte sich dicht vor dem Bau auf die Straße setzen, und keiner würde ihn wahrnehmen. Er hatte Jahrzehnte damit verbracht, nichts anderes zu tun. Er ging in der Szene unter, weil er Teil der Szenerie war.
Eine Stunde später sah sich Janson in Coopers Hausboot die Skizzen an. Er war nicht gerade begeistert. Es gab mehrere mögliche Ausgänge, aber keiner davon war vor den Blicken der Öffentlichkeit geschützt. Darüber hinaus war mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass überall in dem Gebäude Bewegungsmelder modernster Konstruktion angebracht waren. Und weil die Hinterseite des Gebäudes an der Lange Leidsedwarsstraat lag, würde man sich auch von dort aus nicht unbemerkt Zugang verschaffen können.
In der Regel gab es zwei Möglichkeiten, wenn man in Sicherheit agieren wollte. Die vertrautere bestand in Abgeschiedenheit: eine Burg im Gebirge, ein unterirdisches Verlies. Die andere Möglichkeit hatte mit Nähe und Öffentlichkeit zu tun: ein Gebäude mitten in der Stadt, wo jeder jeden sehen konnte und deshalb ein unbefugter Zugang praktisch unmöglich war. Das Geniale an der Zentrale der Liberty Foundation war, dass sie, anstatt sich voll und ganz auf eigene Sicherheitsleute zu verlassen, praktisch Hunderte von Passanten - die Fußgänger der Stadt selbst - zu Wachen machte. Im Grunde genommen bestand der beste Schutz des Gebäudes darin, dass es für alle sichtbar da stand.
Janson ärgerte sich über sich selbst: Er dachte jetzt innerhalb der sprichwörtlichen Schachtel, überlegte Lösungen, die ihm in der Vergangenheit nützlich gewesen waren, sich aber für die augenblickliche Situation nicht eigneten. Er musste anders denken.
Demarests Rat - ein Echo aus einer anderen Zeit -drängte sich ihm auf: Sie sehen keinen Ausweg? Nehmen Sie sich die Zeit, die Dinge anders zu sehen. Sehen Sie die beiden weißen Schwäne und nicht den einen schwarzen. Sehen Sie das Stück Torte und nicht die Torte, aus der man ein Stück herausgeschnitten hat. Drehen Sie den Necker-Würfel nach außen statt nach innen. Das große Ganze müssen Sie sehen. Das wird Sie frei machen.
Er schloss für ein paar Sekunden die Augen. Er musste so denken, wie die Gegenseite gedacht hatte. Frei und unbehindert der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein, so hatten sie es gesehen, würde der wirksamste Schutz ihrer Geheimnisse sein und das war die Logik, die Janson sich ebenfalls zu Eigen machen musste. Ein Eindringen auf Schleichwegen war das, womit sie rechneten, das, wogegen sie sich gut geschützt haben würden. Er würde also nicht auf Schleichwegen vorgehen. Er würde so auffällig wie möglich eintreffen, am Vordereingang auftauchen. Diese Operation erforderte Unverfrorenheit, nicht Diskretion.
Janson blickte auf die zusammengeknüllten Papiere auf dem Boden. »Hast du eine Zeitung?«
Cooper trottete in eine Ecke und kehrte gleich darauf triumphierend mit der neuesten Ausgabe von De Volkskrant zurück. Die Titelseite war mit Ölfarbe und Pastellstiften verschmiert.
»Etwas in englischer Sprache?«
»In Holland sind die Zeitungen holländisch, Mann«, antwortete er mit dem Krächzen des Cannabiskonsumenten. »Die Leute hier sind in der Beziehung ziemlich altmodisch.«
»Verstehe«, erwiderte Janson. Er überflog die Schlagzeilen, und seine Kenntnisse der deutschen Sprache ermöglichten es ihm, den Großteil einigermaßen zu verstehen. Während er umblätterte, fiel ihm ein kleiner Artikel auf. »Hier«, sagte Janson und tippte mit dem Finger darauf. »Könntest du mir das hier übersetzen?«
»Kein Problem, Mann.«
Cooper blickte kurz auf, konzentrierte sich. »Das ist nicht der Teil der Zeitung, den ich normalerweise lese. Augenblick mal - hast du nicht mal gesagt, deine Mutter sei Tschechin?«
»War. Sie ist tot.«
»Da bin ich wieder mal reingetreten, was? Schrecklich. War das, wie soll ich sagen, etwas Plötzliches?«
»Sie starb, als ich fünfzehn war, Barry. Ich habe es inzwischen verwunden.«
Cooper hielt einen Augenblick inne, verarbeitete das Gehörte. »Das ist cool«, meinte er dann. »Meine Mom ist letztes Jahr gestorben. Konnte nicht mal zum Begräbnis. Das hat wehgetan. Die hätten mir bei der Einreise Handschellen angelegt, was soll's also? Aber wehgetan hat's.«
»Das tut mir Leid«, sagte Janson.
Cooper begann zu lesen, übersetzte den
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