Der Janson-Befehl
>unwiderruflich<. Sagt Ihnen der traditionelle Feiertag der Sunniten etwas - Id ul-Kebir?«
»Er erinnert an das Opfer Abrahams.«
Lang nickte. »Der Widder im Dornengestrüpp. Der Kalif sagt, dass der Festtag in diesem Jahr mit dem Opfer Peter Novaks gefeiert werden soll. Er soll am Id ul-Kebir enthauptet werden. Das heißt, am kommenden Freitag.«
»Warum? Um Himmels willen, warum!«
»Weil der Kalif es so will«, sagte Marta Lang. »Weil Peter ein bösartiger Agent des Neokolonialismus ist - so stellt es die KLF hin. Weil es der KLF Ansehen einbringt und einen höheren Bekanntheitsgrad, als sie ihn in fünfzehn Jahren mit ihren Bomben erreicht hat. Weil der Mann, den sie den Kalifen nennen, zu früh gelernt hat, sich nicht mehr in die Windeln zu machen - wer zur Hölle weiß das schon? Die Frage impliziert ein Maß an Rationalität, das diese Terroristen einfach nicht besitzen.«
»Du großer Gott«, sagte Janson. »Aber wenn er versucht, auf diese Weise Profil zu gewinnen - wie verschroben auch immer die Logik sein mag, die dahinter steckt -, warum ist er dann noch nicht an die Öffentlichkeit getreten? Warum haben die Medien sich nicht darauf gestürzt?«
»Er ist schlau. Wenn er erst nach der Tat die Öffentlichkeit unterrichtet, vermeidet er jeglichen internationalen Druck, der sonst auf ihn ausgeübt würde. Und dass wir es nicht wagen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, ist ihm klar, weil damit für uns jede noch so geringe Chance einer Verhandlungslösung ausgeschlossen wäre.«
»Warum würde man die Regierung eines größeren Staates denn eigens unter Druck setzen müssen, damit sie sich einschaltet? Offen gestanden verstehe ich immer noch nicht, weshalb Sie mit mir reden. Sie haben es doch selbst gesagt, er ist ein Mann für alle Menschen. Akzeptieren Sie, dass Amerika die letzte Supermacht auf diesem Planeten ist - warum wenden Sie sich nicht an Washington und bitten dort um Hilfe?«
»Das war das Allererste, was wir getan haben. Man hat uns Informationen geliefert. Und uns unter überschwänglichen Entschuldigungen erklärt, weshalb man uns keinerlei irgendwie geartete offizielle Hilfe leisten kann.«
»Das ist verblüffend. Novaks Tod könnte sich in vielen Regionen höchst destabilisierend auswirken, und Washington will doch nichts so sehr wie Stabilität.«
»Es will auch nicht, dass amerikanische Staatsbürger getötet werden. Das Außenministerium in Washington ist der Ansicht, jegliche Intervention, die man Amerika zuschreiben kann, würde im Augenblick das Leben von Dutzenden amerikanischer Bürger gefährden, die sich zurzeit in von Rebellen besetzten Territorien befinden.«
Janson blieb stumm. Er wusste, wie solche Überlegun-gen angestellt wurden; schließlich war er oft genug selbst daran beteiligt gewesen.
»Man hat uns erklärt, dass es auch noch andere ... Komplikationen gibt.«
Marta sprach das Wort mit unübersehbarem Abscheu aus. »Die Saudis, beispielsweise, wichtige Verbündete der USA, haben die KLF über die Jahre hinweg in aller Stille unterstützt. Sie sind von ihrem Handeln nicht gerade begeistert, aber wenn sie unterdrückte Muslime in diesem muslimischen Meer, das man den Indischen Ozean nennt, nicht unterstützen, verlieren sie in der restlichen islamischen Welt das Gesicht. Und dann wäre da noch diese Sache mit Donna Hedderman.«
Janson nickte. »Eine Anthropologie-Doktorandin der Columbia University. Sie hat im Nordosten von Anura gearbeitet. Das war zwar tapfer, aber zugleich auch ziemlich dumm. Die Kagama-Rebellen haben sie gefangen genommen und ihr vorgeworfen, eine Agentin der CIA zu sein. Und das war nicht nur dumm, sondern auch bösartig.«
»Sie wird jetzt seit zwei Monaten von ihnen festgehalten, und man hat ihr nicht erlaubt, mit irgendjemand Verbindung aufzunehmen. Von großen Worten abgesehen, haben die Vereinigten Staaten nicht das Geringste unternommen. Weil sie >eine ohnehin schon komplizierte Situation nicht zusätzlich komplizieren< wollten.«
»Ich fange an zu begreifen. Wenn die Vereinigten Staaten sich weigern zu intervenieren, wenn es um eine amerikanische Staatsbürgerin geht.«
». wie sieht es dann aus, wenn sie eine plötzliche Kehrtwende vollziehen und für einen ungarischen Milliardär ein Rettungsteam schicken? Ja. So brutal haben sie es nicht formuliert, aber darauf läuft es hinaus. Sie haben die Formel >politisch nicht tragbar< wirklich strapaziert.«
»Worauf Sie mit all den nahe liegenden Gegenargumenten geantwortet
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