Der Janson-Befehl
Kagama Liberation Front - ihr habt das Vertrauen verraten, das wir in euch gesetzt haben!«
Er sah die Mitglieder seines Gefolges an. »Seht das alberne Grinsen dieser Verräter, die keine Scham besitzen. Sie hätten unsere Zukunft um eine Schüssel Suppe verkauft! Sie waren nie befugt, das zu tun, was sie versucht haben. Lakaien sind sie, Lakaien der republikanischen Unterdrücker, Abtrünnige einer Bewegung, die in den Augen Allahs geheiligt ist. Jeder Augenblick, den sie auf dieser Erde atmen, ist eine Beleidigung für den Propheten, salla Allah u alihi wa sallam.«
Mit einem Wink bedeutete er den Mitgliedern seiner Garde das zu tun, was er ihnen vorher befohlen hatte.
Eine kurze Salve gezielten Gewehrfeuers brachte die erschreckten Proteste der Delegierten zum Schweigen. Ihre Bewegungen verkrampften sich ruckartig. Auf ihren weißen Jacken erblühte es rot. Während die Schüsse in dem großen Saal verhallten wie das Krachen von Feuerwerkskörpern, stießen einige der Delegierten entsetzte Schreie aus, ehe sie ihr Leben aushauchten und zusammenbrachen, übereinander getürmt wie Feuerholz.
Der Kalif war enttäuscht; sie hatten geklungen wie verängstigte kleine Mädchen. Das waren doch gute Männer: Weshalb brachten sie es nicht fertig, mit Würde zu sterben? Der Kalif tippte einem Mann seines Gefolges auf die Schulter. »Mustafa«, sagte er, »bitte sorge dafür, dass hier schnell sauber gemacht wird.«
Sie hatten ja schließlich gesehen, was mit den Fugenrillen passierte, wenn das Blut zu lange darauf blieb, oder nicht? Der Kalif und seine Leute waren jetzt die Herren des Palastes; sie mussten dafür sorgen, dass er gut in Ordnung gehalten wurde.
»Zu Befehl«, antwortete der junge Mann, verbeugte sich tief und griff dabei an den ledernen Anhänger, den er um den Hals trug. »Es wird unverzüglich geschehen.«
Dann wandte der Kalif sich an das älteste Mitglied seines Gefolges, einen Mann, bei dem er sich stets darauf verlassen konnte, dass er ihn über alle wichtigen Dinge informiert hielt. »Was macht unser Widder im Gestrüpp?«
»Sahib?«
»Wie hat unser Gefangener sich an seine neue Unterkunft gewöhnt?«
»Nicht gut.«
»Haltet ihn am Leben!«, sagte der Kalif streng. »Sicher und lebendig.«
Er setzte seine Teetasse ab. »Wenn er vorzeitig stirbt, werden wir ihn am nächsten Freitag nicht enthaupten können. Das würde mich sehr ungehalten machen.«
»Wir werden uns um ihn kümmern. Die Zeremonie wird so ablaufen, wie du es geplant hast. In jeder Einzelheit.«
Kleinigkeiten waren wichtig, auch der Tod unbedeuten-der Männer, wie diese Delegierten es waren. Begriffen diese Männer, welchen Dienst sie ihrer Sache mit ihrem Tod geleistet hatten? Wussten sie die Liebe zu schätzen, die den Kugelhagel ausgelöst hatte? Der Kalif war ihnen und ihrem Opfertod wahrhaft dankbar. Und das Opfer konnte nicht länger hinausgeschoben werden, denn es war bereits ein KLF-Kommunikee ausgesandt worden, das die Verhandlungen als ein Komplott gegen Kagama und die Teilnehmer daran als Verräter brandmarkte. Es war notwendig gewesen, die Delegierten zu erschießen, um das Kommunikee glaubwürdig zu machen. Das war nichts, was er ihnen vorher hätte erklären können, aber er hoffte, dass wenigstens einige von ihnen es in dem kurzen Augenblick vor ihrem Tod geahnt hatten.
Alles war Teil eines großen Ganzen. Die Hinrichtung Peter Novaks, die Abkehr von den Verhandlungsführern -beides würde die Entschlossenheit Kagamas steigern, auf einen vollkommenen, bedingungslosen Sieg hinzuarbeiten. Und sie würde Einmischung von außen abschrecken -Agenten des Neokolonialismus in humanitärem Gewand -, die sonst vielleicht den Versuch machen könnten, an »Gemäßigte« zu appellieren, an »Pragmatiker«, und auf diese Weise den Eifer der Gerechten zu unterminieren. Solche halben Maßnahmen und faulen Kompromisse waren eine Beleidigung des Propheten selbst und eine Beleidigung für die vielen tausend Mitglieder der KLF, die in dem Konflikt bereits gestorben waren. Es ging nicht darum, Meinungen zu spalten - das Einzige, was man spalten würde, waren die Köpfe der Verräter.
Und die Welt würde lernen, dass man die Kagama Liberation Front ernst nehmen, dass man ihre Worte fürchten musste.
Blutvergießen. Das Blut einer lebenden Legende musste vergossen werden. Wie sonst sollte es eine taube Welt lernen, auf die Bewegung zu hören?
Er wusste, dass die Botschaft an jene Kagama weitergeleitet würde, die ihrer bedurften.
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