Der Janson-Befehl
dass unredliche Angestellte regelmäßig nicht sich selbst und ihrem Verhalten die Schuld für ihre Entlassung gaben, sondern demjenigen, der dieses Verhalten ans Licht gebracht hatte. In Wahrheit hätte Donald Weldon dafür dankbar sein sollen, dass man ihn nur gefeuert hatte; aus Jansons Bericht war klar hervorge-gangen, dass einige der gefälschten Belege unter seiner Mitwirkung entstanden waren, was hinreichendes Beweismaterial für ein strafrechtliches Verfahren gewesen wäre, und das hätte leicht zu einer Gefängnisstrafe für ihn führen können. Jansons Empfehlung war gewesen, man solle Weldon entlassen, aber nicht strafrechtlich belangen, um der Firma weitere Peinlichkeiten zu ersparen und zu vermeiden, dass im Prozess irgendwelche Interna ans Licht kamen. Du schuldest mir deine Freiheit, du korrupter Schweinehund, dachte Janson.
Jetzt fuchtelte der Amerikaner Janson mit dem Finger vor der Nase herum. »Sie gottverdammter Scheißer -Ihnen wird man es auch eines Tages besorgen.«
Als die Frau ihn zu ihrem Tisch zurückführte, verriet sein unsicherer Schritt, dass seine Wut teilweise vom Alkohol genährt war.
Janson wandte sich scheinbar unbesorgt wieder seinem Tischgefährten zu, konnte aber sein Unbehagen nicht unterdrücken. Lakatos war abgekühlt; der Mann war kein Narr, und der Auftritt des betrunkenen Amerikaners ließ sich nicht so ohne weiteres abtun. Die Augen des Ungarn waren jetzt klein und hart wie schwarze Murmeln.
»Sie trinken Ihren Wein nicht«, sagte Lakatos und gestikulierte mit seiner Gabel. Dabei lächelte er ein eisiges Henkerslächeln.
Janson wusste, wie die Denkprozesse solcher Leute abliefen: Wahrscheinlichkeiten wurden erwogen, wobei die Vorsicht verlangte, negative Folgerungen in Betracht zu ziehen. Janson war klar, dass er den anderen mit seinem Protest nicht überzeugt hatte. Er war zu einem Unsicherheitsfaktor geworden, hatte sich als ein anderer erwiesen als der, der er zu sein vorgab. Männer wie Sandor Lakatos fürchteten nichts so sehr wie die Möglichkeit einer Täuschung: Adam Kurzweil stellte jetzt keine Chance mehr dar, sondern eine Gefahr. Und so obskur auch seine Motive sein mochten, solche Gefahren mussten ausgeschaltet werden.
Lakatos' Hand verschwand in der Innentasche seines schweren Wollsakkos. Sicherlich würde er keine Waffe zum Vorschein bringen - für jemanden in seiner Position wäre das zu primitiv. Die Hand verweilte ungewöhnlich lang, hantierte an etwas herum. Anscheinend hatte er einen automatischen Pager oder, was noch wahrscheinlicher war, ein SMS-Handy in der Tasche.
Und dann sah der Waffenhändler zum Pult des Maitre d' hinüber. Janson folgte seinem Blick: Zwei Männer in dunklen Anzügen, die unauffällig an der langen Bar gelehnt hatten, standen plötzlich ein wenig aufrechter da. Warum waren sie ihm nicht schon früher aufgefallen? Lakatos' Leibwächter selbstverständlich. Der Waffenhändler würde sich nie mit einem nicht persönlich bekannten Makler verabredet haben, ohne derart elementare Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
Und jetzt hatten die Leibwächter einen neuen Auftrag, wie ein kurzer Blickwechsel andeutete. Sie waren jetzt keine bloßen Beschützer mehr. Sie waren Henker. Ihre aufgeknöpften schweren Jacken hingen locker an ihnen herunter, ein beiläufiger Beobachter hätte angenommen, dass die leichte Ausbuchtung unter der linken Brusttasche von einem Päckchen Zigaretten oder einem Handy herrührte. Janson wusste es besser. Das Blut rann ihm eisig durch die Adern.
Man würde nicht zulassen, dass Adam Kurzweil das Gelände des Palace Hotels lebend verließ. Janson konnte sich das Szenario nur zu deutlich ausmalen. Die Mahlzeit würde in aller Eile beendet werden, und dann würden Lakatos und er zusammen durch die Hotelhalle hinausgehen, begleitet von den Leibwächtern. In geeigneter Entfernung vom Hotel, weit genug, dass nicht zu befürchten war, dass jemand es sah, würde er mit einem schallgedämpften Schuss in den Hinterkopf erledigt werden, und seine Leiche würde entweder in den See oder in den Kofferraum eines Fahrzeugs wandern.
Er musste etwas unternehmen. Jetzt.
Janson griff nach seinem Glas, wischte dabei gespielt ungeschickt seine Gabel zu Boden und beugte sich mit einem Nachsicht heischenden Schulterzucken hinunter, um sie aufzuheben. Als er nach unten griff, schob er den Hosenaufschlag etwas hoch, und drückte den Auslöser seines Knöchelhalfters und hielt jetzt die kleine Glock M26 in der Hand, die er sich am
Weitere Kostenlose Bücher