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Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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damit gerechnet hatten, ihrem Kollegen dabei helfen zu müssen, einen »Betrunkenen« aus dem Restaurant nach draußen zu geleiten. Als Janson auf den Speisesaal zuging, trat ihm der Größere der beiden in den Weg.
    Das kantige Gesicht des Mannes war völlig ausdruckslos, als er leise in stark akzentuiertem Englisch zu Janson sagte: »Sie sollten jetzt äußerst vorsichtig sein. Mein Partner hat eine Pistole auf Sie gerichtet. Eine sehr wirksame und sehr leise Pistole. In diesem Land gibt es zahlreiche Herzanfälle. Trotzdem wird es Aufsehen erregen, wenn Sie plötzlich zu Boden fallen. Ich würde vorziehen, wenn es nicht dazu käme. Es gibt elegantere Methoden. Aber wir denken uns auch nichts dabei, uns gleich hier mit Ihnen zu befassen.«
    Aus dem Speisesaal hallten vergnügte Stimmen herüber und dazu ein Lied, das sich im vergangenen Jahrhundert die ganze Welt erobert hatte: »Happy Birthday to You.«
    Boldog szuletesnapot!, hörte er. Das Lied verliert nichts durch die Übersetzung ins Ungarische, dachte Janson und erinnerte sich an den langen Tisch mit wenigstens zwei Dutzend Gästen, einen Tisch, auf dem er vier Flaschen Champagner gesehen hatte.
    Janson presste sich mit entsetzter Miene beide Hände gegen die Brust, eine theatralische Geste der Angst. Gleichzeitig griff er mit der rechten Hand unter seiner Linken durch und stahl sich zum Kolben der Waffe in seiner Brusttasche.
    Er wartete noch einen Augenblick auf jenes andere für Feiern dieser Art typische Geräusch - es würde sich in Ungarn ebenso einstellen wie anderswo: das Knallen eines Champagnerkorkens. Und da kam es auch schon, die erste der vier Flaschen war geöffnet worden. Beim nächsten Korkenknallen zog Janson den Abzug seines schallgedämpften Revolvers durch.
    Das leise Pfutt ging im Lärm der Feiernden unter, aber das Gesicht des Leibwächters verzog sich entsetzt. Janson sah die winzige Korona aus Wollfäden, die ein kaum sichtbares Loch in dessen Jackett umfransten, als der Mann zu Boden sank. Eine Bauchverletzung allein würde einen Profi nicht so zusammensacken lassen, wie er das gerade gesehen hatte. Dieses plötzliche, lautlose Zusammenbrechen konnte nur eines bedeuten: Die Kugel hatte sich durch den Oberbauch des Mannes gebohrt und die Wirbelsäule getroffen. Die Folge war das sofortige Aussetzen aller neuralen Impulse und damit die Lähmung sämtlicher Muskeln im unteren Körperbereich. Janson war mit den auffälligen Symptomen völliger Kataplexie vertraut und wusste, was sie bei Kombattanten bewirkte, selbst bei kampfgestählten Männern: Sie trauerten. Sie betrauerten den unwiderruflichen Verlust ihrer Körperfunktionen, der ihnen schlagartig bewusst wurde, und vergaßen manchmal sogar Maßnahmen zu ergreifen, um das zu schützen, was von ihrem Leben noch verblieben war.
    »Nehmen Sie die Hand aus der Tasche, oder Sie sind als Nächster dran«, wies er den Partner des Mannes im Flüsterton an.
    Janson wusste, dass die Autorität seiner Stimme hier seine ultimative Waffe war, mehr noch als der Revolver in seiner Hand. Theoretisch war dies eine Pattsituation: zwei Männer, die sich mit dem Finger am Abzug gegenüberstanden. Für den anderen gab es keinen logischen Grund, jetzt aufzugeben, und doch wusste Janson, dass er genau das tun würde. Jansons Handlungen waren ebenso unerwartet wie seine Selbstsicherheit. Zu viele Faktoren, die sein Gegenüber nicht mit Sicherheit beurteilen konnte: Wusste der Fremde, dass er der schnellere Schütze war? Trug er vielleicht unter dem Jackett eine kugelsichere Weste? Zwei Sekunden reichten nicht aus, um eine solche Entscheidung zu treffen. Und welche Folgen eine falsche Einschätzung nach sich ziehen konnte, war hier deutlich zu sehen. Janson beobachtete, wie die Augen des Mannes zu seinem reglosen Partner hinüberhuschten, dessen Gesicht aschfahl geworden war ... und um den sich eine Urinpfütze ausbreitete. Der Verlust der Kontinenz deutete darauf hin, dass seine Sakralnerven durchtrennt waren, wie es bei einer Verletzung der mittleren oder unteren Wirbel leicht der Fall sein konnte.
    Der Mann streckte die Hände aus, er wirkte verängstigt, bedrückt, elend.
    Wenn Ihr Feind eine gute Idee hat, dann benutzen Sie sie, hatte Lieutenant Commander Alan Demarest gesagt und damit die raffinierten Fallen gemeint, die ihr Viet-kong-Gegner ihnen zu stellen pflegte; dieser Satz drängte sich jetzt Janson auf und mit ihm ein noch düsterer Gedanke: Wenn du zu lange in einen Abgrund blickst, dann kann

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