Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
beschweren.«
    »Sie sollten hören, was die über Sie sagen«, meinte sie und beugte sich zu ihm.
    »Mhm?«
    »Ich wette, als Sie den Laden noch geführt haben, hat es hier von Gästen gewimmelt. Ganz besonders die Damen müssen gerne hergekommen sein.«
    »Wie kommen Sie denn auf die Idee?«
    »Ein gut aussehender Mann wie Sie? Muss ich Ihnen das wirklich erklären? Ich wette, Sie sind heute noch bei den Damen beliebt.«
    Jessie kniete neben dem alten Mann nieder. Sein Lächeln wurde breiter; die Nähe einer schönen Frau war etwas, was er bis zur Neige auskosten wollte.
    »Ich mag Amerikaner«, sagte der alte Mann. »Ich mag sie mehr und mehr.«
    »Und die Amerikaner mögen Sie«, sagte Jessie, griff nach seinem Arm und drückte ihn leicht. »Zumindest diese Amerikanerin.«
    Er holte tief Atem, atmete ihr Parfüm ein. »Meine Liebe, Sie riechen wie der Tokajer der Kaiser.«
    »Ich wette, das sagen Sie zu allen Mädchen«, schmollte sie.
    Er sah sie einen Augenblick lang todernst an. »Ganz sicherlich nicht«, entgegnete er. Dann lächelte er wieder. »Nur den hübschen.«
    »Ich wette, Sie haben einmal eine Menge hübscher Mädchen aus Molnar gekannt«, sagte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich bin weiter oben an der Theiß aufgewachsen. Näher bei Sarospatak. Erst in den fünfziger Jahren bin ich dann hierher gezogen. Damals gab es schon kein Molnar mehr. Bloß Felsen und Steine und Bäume. Wissen Sie, mein Sohn gehört der Generation der Enttäuschten an. Ein Csalödottak. Leute wie ich, die Bela Kund und Mikos Horthy, Ferenc Szalasi und Matyas Rakosi überlebt haben - wir wissen, wann wir dankbar sein müssen. Wir hatten nie große Erwartungen, und deshalb können wir auch nicht so enttäuscht werden. Ich habe einen Sohn, der den ganzen Tag lang an Ruthenen Bier ausschenkt, aber beklage ich mich etwa?«
    »Wir sollten jetzt wirklich fahren«, mahnte Janson.
    Jessies Augen ließen die des alten Mannes nicht los. »Nun, ich weiß, dass einmal alles ganz anders war. Gab es nicht einmal einen Baron aus dieser Gegend, einen alten magyarischen Adeligen?«
    »Die Ländereien von Graf Ferenczi-Novak verliefen an jener Bergflanke entlang.«
    Er machte eine vage Handbewegung.
    »Das muss ein schönes Bild gewesen sein. Ein Schloss und alles das?«
    »Früher einmal«, sagte er versonnen. Er wollte sichtlich nicht, dass sie schon ging. »Ein Schloss und alles.«
    »Oh, ich würde gern wissen, ob es noch jemanden gibt, der diesen Grafen gekannt hat. Ferenczi-Novak, haben Sie gesagt?«
    Der alte Mann blieb einen Augenblick lang stumm, und seine Züge wirkten jetzt beinahe asiatisch. »Nun«, sagte er dann. »Da gibt es diese alte Frau, Oma Gitta. Gitta Bekesi. Sie spricht auch Englisch. Die Leute sagen, sie hätte es als junges Mädchen gelernt, als sie im Schloss gearbeitet hat. Sie wissen ja, wie es ist - die russischen Adelsdamen wollten immer Französisch sprechen, und die ungarischen Adelsdamen Englisch. Jeder möchte immer wie etwas klingen, was er nicht ist.«
    »Bekesi haben Sie gesagt?«, forschte Jessie vorsichtig nach.
    »Vielleicht ist es gar keine so gute Idee. Die meisten Leute sagen, dass sie in der Vergangenheit lebt. Ich kann nicht versprechen, dass sie noch ganz klar im Kopf ist. Aber sie ist durch und durch Magyarin. Und das kann man nicht von allen sagen.«
    Er lachte, man konnte dabei den Schleim in seiner Luftröhre rasseln hören. »Sie lebt in einem alten Bauernhof, die zweite Abzweigung nach links und dann noch einmal links um die Kurve.«
    »Dürfen wir ihr sagen, dass Sie uns geschickt haben?«
    »Besser nicht«, meinte er und schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht, dass sie böse auf mich ist. Sie mag Fremde nicht sehr.«
    Wieder lachte er. »Und das ist noch stark untertrieben!«
    »Nun, Sie wissen vielleicht, was wir in Amerika dazu sagen«, erwiderte Jessie und sah ihm tief in die Augen. »Es gibt keine Fremden, nur Freunde, die wir noch nicht kennen gelernt haben.«
    Der Sohn, immer noch mit der weißen Schürze angetan, die sich über seinen runden Bauch spannte, trat jetzt mit finsterer Miene auf die Veranda. »Das ist auch so etwas, was ihr Amerikaner an euch habt«, stellte er mit finsterer Miene fest. »Die Fähigkeit zur grenzenlosen Selbsttäuschung.«
    Der alte zweistöckige Ziegelbau des Bauernhofs an der sanft ansteigenden Hügelflanke sah aus wie Tausende anderer ähnlicher Häuser, die über die Landschaft verteilt waren. Er konnte ebenso gut hundert wie zwei- oder dreihundert

Weitere Kostenlose Bücher