Der Janson-Befehl
Äquivalent von Rauschgift. Unsere Kinder kennen die Namen eurer Rapper und eurer Filmstars und wissen nichts mehr über die Helden ihres eigenen Volkes. Vielleicht wissen sie, wer Stephen King ist, aber sie wissen nicht, wer unser King Stephen war - König Stephan, der Gründer unserer Nation!«
Er schüttelte verdrießlich den Kopf. »Das ist eine unsichtbare Eroberung, eine mit Satelliten- und Fernsehsendestationen statt mit Artillerie. Und jetzt kommen Sie hierher, weil - ja, warum eigentlich? Weil die Gleichförmigkeit Ihres Lebens Sie langweilt. Sie kommen her und suchen Ihre Wurzeln, weil Sie etwas Exotisches in Ihrer Vergangenheit finden wollen. Aber überall, wohin ihr auch geht, findet ihr eure eigene Spur. Die Schleimspur der Schlange liegt über allem.«
»Mister«, sagte Jessie. »Sind Sie betrunken?«
»Ich habe ein Diplom in Englisch von der Universität Debrecen«, sagte er. »Vielleicht läuft das auf dasselbe hinaus.«
Er lächelte bitter. »Das überrascht Sie? Der Sohn eines Dorfwirts kann an der Universität studieren: die Segnungen des Kommunismus. An der Universität ausgebildeter Sohn findet keinen Job: die Segnungen des Kapitalismus. Sohn arbeitet für Vater: Segnungen der magyarischen Familie.«
Jessie drehte sich zu Janson herum und flüsterte: »Wo ich herkomme, sagen die Leute, wenn man nach zehn Minuten nicht weiß, wer am Tisch der Tölpel ist, dann ist man es selbst.«
Jansons Gesichtsausdruck blieb unverändert. »Das Lokal hat einmal Ihrem Vater gehört?«, fragte er den Mann mit der weißen Schürze.
»Es gehört ihm immer noch«, meinte er verdrossen.
»Ich frage mich, ob er sich vielleicht erinnert.«
»Ah, ein weißhaariger alter Magyar, der nach dem dritten Glas Barack sepiafarbene Fotos herauszieht und anfängt zu singen wie ein altes Nickelodeon? Mein Vater ist keine lokale Sehenswürdigkeit für Touristen, die man zu ihrer Unterhaltung aus dem Schrank holt.«
»Wissen Sie was?«, fiel Jessie ihm ins Wort. »Ich habe auch einmal hinter einer Bartheke gearbeitet. In meinem Land bedeutet das, dass man im Gastfreundschaftsgeschäft ist.«
Ihr Tonfall wurde eine Spur aggressiver, als sie fortfuhr: »Es tut mir wirklich Leid, dass Sie sich mit Ihrem grandiosen Universitätsdiplom nicht auch einen grandiosen Job an Land ziehen konnten, und es bricht mir wirklich das Herz, dass Ihre Kinder MTV den Vorzug vor irgendwelchem magyarischem Gedudel geben, das Sie ihnen vielleicht zu bieten haben, aber.«
»Honey«, fuhr Janson ihr mit warnendem Tonfall ins Wort, »wir sollten jetzt besser weiterfahren. Es wird allmählich spät.«
Er legte ihr die Hand an den Ellbogen und führte sie nach draußen. Als sie ins Freie traten, sahen sie einen alten Mann, der auf einem Klappstuhl auf der Veranda saß und sie mit amüsiertem Blick maß. War er schon da gewesen, als sie eingetroffen waren? Vielleicht - der alte Mann hatte etwas an sich, das ihn in der Szenerie aufgehen ließ, so als wäre er ein unauffälliges Möbelstück.
Jetzt tippte der Alte sich mit dem Finger an die Schläfe, das universelle Zeichen für »plemplem«. Seine Augen lächelten. »Mein Sohn ist ein tief enttäuschter Mann«, sagte er freundlich. »Er will mich ruinieren. Haben Sie seine Kunden gesehen? Ein Ruthene. Ein Paloc. Die brauchen ihm nicht zu lauschen, wenn er redet. Kein Magyar kommt mehr zu ihm. Warum noch Geld dafür zahlen, sich sein ständiges Gemecker anzuhören?«
Er hatte den faltenlosen, an altes Porzellan erinnernden Teint, wie ihn manche alte Leute zeigen, deren Haut das Alter zwar dünner, aber nicht rauer gemacht hat. Ein paar Strähnen schlohweißen Haars umgaben seinen großen Schädel wie eine Krone, und seine Augen waren von wolkigem Blau. Er schaukelte sanft in seinem Sessel vor und zurück und lächelte unverwandt. »Aber in einem Punkt hat Gyorgy Recht. Die Leute hier haben zu viel erlitten, um noch höflich zu sein.«
»Ausgenommen Sie«, sagte Jessie.
»Ich mag Amerikaner«, erklärte der alte Mann.
»Sie sind wirklich nett«, erwiderte Jessie.
»Meinetwegen können die Slowaken und Rumänen zum Teufel gehen. Und die Deutschen und die Russen auch.«
»Ich vermute, Sie haben schwere Zeiten erlebt«, sagte Jessie.
»Als ich den Laden hier geführt habe, hatte ich nie Ruthenen in der Bar.«
Er rümpfte die Nase. »Ich mag diese Leute nicht«, fügte er leise hinzu. »Sie sind faul und unverschämt und haben den ganzen Tag über nichts Besseres zu tun, als sich zu
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