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Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Jahre alt sein. Früher mochten hier einmal ein wohlhabender Bauer und seine Familie gewohnt haben. Beim Näherkommen freilich wurde klar, dass die Zeit nicht gerade freundlich mit dem alten Haus umgegangen war. Das Dach war mit verrostendem Wellblech neu gedeckt worden. Rings um das Haus wuchsen verwilderte Bäume und Sträucher und versperrten den meisten Fenstern die Sicht. Die winzigen Dachfenster unmittelbar unter dem Dachvorsprung blickten trüb, als litten sie am grauen Star; an einigen Stellen war das Glas durch Plastikfolie ersetzt worden, die anfing, sich in der Sonne zu zersetzen. Ein paar Risse verliefen vom Fundament schräg bis halb zum Dach. Von den Läden blätterten mehrere Farbschichten ab. Sich vorzustellen, dass hier jemand wohnte, fiel einigermaßen schwer. Janson erinnerte sich an den amüsierten Blick des alten Mannes, das schalkhafte Zwinkern seiner Augen, und fragte sich, ob er ihnen vielleicht einen Streich gespielt hatte.
    »In den Immobilienanzeigen bezeichnet man so etwas, glaube ich, als >renovierungsbedürftig<«, meinte Jessie.
    Sie lenkten den Lancia an den Straßenrand - den Rand einer Straße, die diese Bezeichnung kaum verdiente, denn der Asphalt war zerbröckelt und vernachlässigt. Zu Fuß gingen sie weiter, nahmen einen schmalen Pfad, der früher vielleicht einmal für Kühe gedacht gewesen war und inzwischen fast völlig von Gestrüpp überwuchert wurde. Das Haus lag über einen Kilometer hügelabwärts, ein Urbild der Vernachlässigung.
    Als sie sich dem Eingang näherten, hörte Janson ein Geräusch. Ein unheimlich wirkendes leises Grummeln. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass da ein Hund knurrte. Und dann hörten sie ein kehliges Bellen.
    Durch einen schmalen, verglasten Schlitz in der Tür sahen sie etwas Weißes, das ungeduldig gegen die Tür sprang. Es war ein Kuvasz, eine alte ungarische Rasse, die seit mehr als tausend Jahren als Wachhund eingesetzt wurde. Im Westen war diese Rasse kaum bekannt, Janson aber kannte sie nur zu gut, weil er vor Jahren eine Auseinandersetzung mit einem Kuvasz gehabt hatte. Wie die anderen speziell für Wachzwecke gezüchteten Hunde -Mastiffs, Pitbulls, Dobermanns - waren sie mit ihrer ganzen Wildheit auf den Schutz ihrer Herren eingestellt und Fremden gegenüber äußerst aggressiv. Es hieß, ein Magyarenkönig aus dem 15. Jahrhundert habe nur seinen Kuvasz-Hunden und keinem Menschen vertraut. Die Rasse war von edlem Bau, mit breiter, markanter Brust, kräftiger Muskulatur, einer langen Schnauze und dickem weißem Fell. Janson hatte freilich solches weißes Fell mit menschlichem Blut befleckt gesehen. Er wusste, wozu ein geifernder Kuvasz fähig war, wenn er in Aktion trat. Seine Zähne waren scharf, die Kiefer kräftig, und das Tier konnte einen Gegner aus seiner gelockerten Haltung heraus blitzartig anspringen und dabei zu einer unwiderstehlichen Tötungsmaschine aus Muskeln und Reißzähnen werden.
    Gitta Bekesis Tier war von nicht ganz so riesenhafter Gestalt wie die legendären Vertreter dieser Gattung in der Vergangenheit; nach Jansons Schätzung war der Hund fast einen Meter hoch und wog einhundertzwanzig Pfund. Im Augenblick schien er nur aus konzentrierter feindseliger Energie zu bestehen. Und nur wenige Geschöpfe waren so tödlich wie ein wütender Kuvasz.
    »Mrs. Bekesi?«, rief Janson.
    »Verschwinden Sie!«, antwortete eine zittrige Stimme.
    »Das ist ein Kuvasz, nicht wahr?«, sagte Janson. »Was für ein schönes Tier! Die sind wirklich ohnegleichen, nicht wahr?«
    »Dieses schöne Tier würde nichts lieber tun, als Ihnen an die Gurgel zu gehen«, sagte die alte Frau, deren Stimme jetzt entschlossener klang. Sie hallte durch das offene Fenster; sie selbst blieb im Halbdunkel.
    »Es ist nur so, dass wir eine weite, weite Strecke gereist sind«, sagte Jessie. »Aus Amerika hierher. Sehen Sie, mein Großvater ... Er kam aus dieser Ortschaft, die einmal Molnar hieß. Die Leute sagen, es gibt außer Ihnen niemand, der uns etwas über diesen Ort sagen kann.«
    Eine längere Zeit herrschte Stille, nur das Knurren des wütenden Wachhunds war zu hören.
    Jessie sah Janson an und flüsterte: »Dieser Hund hat Sie wirklich erschreckt, nicht wahr?«
    »Fragen Sie mich etwas über Ankara und 1978«, antwortete Janson leise.
    »Ich weiß, was in Ankara geschah.«
    »Sie können's mir glauben«, sagte Janson. »Das wissen Sie nicht.«
    Schließlich brach die Frau ihr Schweigen. »Ihr Großvater«, sagte sie. »Wie hieß er

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