Der Janson-Befehl
die Augen. »Da, schauen Sie, das habe ich in Erfahrung gebracht. Sie sind nicht aktiv.«
»Also ausgeschieden?«
»Nein, ausgeschieden auch nicht.«
»Wie bitte?«
»Nach allem, was in den Akten steht, sind sie seit fast zehn Jahren tot.«
»Tot? Das hat man Ihnen also gesagt?«
»Erinnern Sie sich an die Explosion in Qadal, in Oman?«
Qadal war der Name eines Stützpunkts der US Marines in Oman, wo auch eine Station der amerikanischen Nachrichtendienste für den Persischen Golf untergebracht gewesen war. Mitte der neunziger Jahre hatten Terroristen dort ein Sprengstoffattentat verübt, das dreiundvierzig amerikanische Soldaten das Leben gekostet hatte. Ein Dutzend »Analytiker« des State Department waren ebenfalls auf dem Stützpunkt gewesen und zusammen mit den Soldaten ums Leben gekommen.
»Eine jener >ungelösten Tragödienc«, sagte Janson mit undurchsichtiger Miene.
»Nun, in den Akten steht jedenfalls, dass die Männer, die Sie mir genannt haben, bei dem Anschlag umgekommen sind.«
Janson runzelte die Stirn und versuchte diese Information zu verarbeiten. Der Bombenanschlag in Oman musste ein Tarnmanöver gewesen sein. Ein Manöver, das es einem ganzen Kontingent von Consular-Operations-Agenten erlaubt hatte, auf bequeme Weise zu verschwinden - nur um dann vielleicht im Dienst einer anderen Macht wieder aufzutauchen. Aber welcher Macht? Für wen waren sie tätig? Was für ein Geheimnis würde einen hartgesottenen Mann wie Czerny dazu veranlassen, sich selbst die Kehle durchzuschneiden? War dieser unwiderrufliche Akt aus Angst oder aus Überzeugung geschehen?
Jessie ging eine Weile auf und ab. »Sie sind tot, aber sie sind es auch nicht, stimmt's? Besteht die Möglichkeit -eine auch noch so entfernte Möglichkeit -, dass der Peter Novak, den wir auf CNN gesehen haben, derselbe Peter Novak wie der von früher ist? Ganz gleich, wie sein Name bei seiner Geburt gewesen sein mag. Ist es vorstellbar, dass er - ich weiß auch nicht, wie - gar nicht in dem Flugzeug saß, das explodiert ist? Also, dass er vielleicht an Bord gegangen und irgendwie vor dem Start wieder herausgeschlüpft ist?«
»Ich war dort, ich habe alles beobachtet ... Ich kann mir das einfach nicht vorstellen.«
Janson schüttelte langsam den Kopf. »Schließlich bin ich das immer wieder durchgegangen und kann es mir einfach nicht vorstellen.«
»Nicht vorstellbar und unmöglich sind zwei Paar Stiefel. Es muss doch möglich sein, irgendwie zu beweisen, dass es derselbe Mann ist.«
Jessie breitete auf dem Couchtisch einen Stapel Novak-fotos aus dem letzten Jahr aus, alle in Alasdair Swifts Cottage in der Lombardei aus dem Internet heruntergeladen. Eines der Bilder stammte von der CNN-Website und zeigte den Philanthropen bei der Verleihungszeremonie in Kalkutta, die sie im Fernsehen miterlebt hatten. Sie holte die Juwelierlupe und das Lineal heraus, die sie sich für das Studium der Karten der Bükk-Berge besorgt hatte, und sah sich damit die vor ihr ausgebreiteten Bilder kritisch an.
»Was wollen Sie erreichen?«, fragte Janson.
»Ich weiß, was Sie glauben gesehen zu haben. Aber ich möchte einfach versuchen, Ihnen zu beweisen, dass wir es mit ein und derselben Person zu tun haben. Auch die Kunst der Schönheitschirurgen hat ihre Grenzen.«
Zehn Minuten verstrichen in völligem Schweigen.
»Jetzt fresse ich doch einen Besen«, stieß sie dann plötzlich halblaut hervor.
Sie drehte sich um und sah ihn an, ihr Gesicht war totenbleich.
»Man muss natürlich Dinge wie die Verzerrung durch das Objektiv mit ins Kalkül ziehen«, sagte sie, »und am Anfang habe ich auch geglaubt, dass es das wäre. Aber da ist etwas anderes im Gange. Je nach Foto scheint der Mann unterschiedlich groß zu sein. Kein deutlicher Unterschied - nicht mehr als ein, zwei Zentimeter. Da steht er neben dem Chef der Weltbank. Und hier ist er wieder, bei einem anderen Anlass, und steht neben demselben Mann. Und auf beiden Fotos sieht es so aus, als ob er die gleichen Schuhe tragen würde. Es könnten ja schließlich die Absätze sein oder so etwas, ja? Aber ich weiß, es ist nur ein winziger Unterschied - die Unterarmspanne ist verschieden. Und dann der Unterkörper.«
Sie tippte auf eines der Bilder, auf dem man ihn neben dem Ministerpräsidenten von Slowenien sehen konnte. Unter seiner grauen Hose waren die Umrisse eines ein wenig gebeugten Knies und die Linie, wo der Oberschenkel zur Hüfte führte, zu sehen. Sie deutete auf ein anderes Foto, das Novak in
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