Der Janson-Befehl
entlang angeordnet waren, diente vermutlich dazu, bei den heftigen Monsungüssen das Wasser ablaufen zu lassen. Als er sich durch die einen knappen halben Meter breite Öffnung zwängte, wurde ihm bewusst, dass er Atemschwierigkeiten hatte. Erschöpfung? Angst? Katsaris hatte ihm gesagt, sein Plan sei gut. Beide wussten, dass er log. Das war kein guter Plan. Es war nur der einzige Plan, den sie hatten.
Immer noch von heftigen Muskelkrämpfen geplagt, arbeitete sich Janson einen schmalen Korridor hinunter, der an die Gemächer im Nordflügel angrenzte. Er erinnerte sich an den Grundrissplan: den Korridor hinunter, links, sechs Meter. Die Tür würde am Ende des Flurs sein. Diskret. Holzverschalung auf dem Stein. Eine unauffällig wirkende Tür, die in ein unsägliches Verlies führte. Zwei Stühle beiderseits der Tür - leer. Die Männer, die das Geschehen am Fuße der Veranda angelockt hatte, würden immer noch bewusstlos sein. Dasselbe galt für das zusätzliche Wächterpaar, das sonst den Flur beobachtet hätte. Sieben ausgeschaltet. Blieben noch siebzehn.
Jansons Pulsschlag beschleunigte sich, als er schließlich vor der Tür angelangt war. Das Schloss war mehrere Jahrzehnte alt und eher als Formalität anzusehen. Wenn ein Eindringling so weit gelangt war, war es höchst unwahrscheinlich, dass ein Türschloss ihn aufhalten würde. Es handelte sich um eine einfache Konstruktion mit Zuhaltungen, vermutlich aus der Mitte des Jahrhunderts. In solchen Schlössern, das wusste Janson, waren Metallplatten eingesetzt, keine Stifte, und die Federn befanden sich im Zylinder selbst, nicht etwa in der Schlossschale. Er zog einen kleinen Schraubenschlüssel heraus; äußerlich erinnerte er an ein Gerät zur Zahnpflege und war nicht viel größer als ein Streichholz. Er schob das hakenförmige Vorderteil des Dietrichs in die Öffnung und drückte auf den hinteren Teil, um damit das Drehmoment und zugleich auch sein Druckempfinden zu intensivieren. Beides war wichtig. Dann zog er nacheinander jede einzelne Zuhaltung zurück. Zehn Sekunden später waren alle Zuhaltungen aus dem Weg geschoben. Aber das Schloss war noch nicht so weit, dass man es öffnen konnte. Er führte ein zweites Werkzeug ein, einen Stift aus Karbidstahl, dünn, aber völlig unflexibel, und drückte im Uhrzeigersinn.
Mit angehaltenem Atem hantierte er mit beiden Instrumenten, hörte, wie die Schließzunge zurückglitt, und zog die Tür zu sich her, nur ein paar Zentimeter. Sie bewegte sich leicht und lautlos in gut geölten Scharnieren. Diese Scharniere mussten gut geölt sein: Beim Öffnen sah er, dass die Tür fast einen halben Meter dick war. Der Gouverneur mochte zwar unter seinen Füßen ein Verlies angebracht haben, aber er war offenbar nicht gewillt gewesen, auch nur das Echo irgendwelcher Schreie von dort unten zu hören.
Janson öffnete die Tür ein Stück weiter und blieb dann stehen, einen knappen halben Meter vom Eingang entfernt. Es konnte immerhin sein, dass hinter der Tür jemand lauerte.
Langsam, vorsichtig vergewisserte er sich, dass der Gang, zumindest in unmittelbarer Umgebung der Tür, frei war. Er schob sich durch die Türöffnung auf eine im Laufe der Jahre von vielen Füßen blank getretene Steinplatte und fixierte den Bronzeriegel mit Isolierband, stellte sicher, dass die Tür nicht mehr ins Schloss fallen konnte.
Dann stieg er langsam die Treppe hinunter. Wenigstens war es eine Steintreppe, nicht ächzendes Holz. Ein paar Stufen weiter unten führte ein Treppenabsatz zu einem zweiten Hindernis, einem in Scharnieren befestigten Stahlgitter.
Das Gitter leistete seinen Werkzeugen kaum Widerstand, war dafür aber im Gegensatz zu der Tür oben alles andere als geräuschlos.
Es öffnete sich mit einem deutlichen Scharren von Metall auf Stein - einem Scharren, das die versammelten Wachen unmöglich überhören konnten.
Erstaunlicherweise reagierten sie nicht. Warum? Wollte man ihn herunterlocken?
Eine Vielzahl von Gedanken schoss Janson durch den Kopf. Und dann hörte er das Wort theyilai!.
Selbst bei dem wenigen Anuranisch, das er aus dem Reiseführer kannte, war ihm das Wort vertraut: Tee. Die Wachen erwarteten jemand - jemand, der ihnen Tee brachte. Deshalb erschreckte sie das Geräusch nicht. Wenn der Tee freilich nicht bald eintraf, würden sie argwöhnisch werden.
Jetzt konnte er direkt sehen, was er vorher nur auf dem kleinen Bildschirm gesehen hatte. Eine einzige nackte Glühbirne lieferte die Beleuchtung. Er hörte, wie
Weitere Kostenlose Bücher