Der Janson-Befehl
war, nahm nebelhafte Konturen an, aber auch nicht mehr, doch etwas war besser als nichts, Hoffnung besser als keine Hoffnung.
Er drehte an dem winzigen Joystick der faseroptischen Kamera, verlagerte das Sichtfeld weg von dem sitzenden Soldaten zu der ausgetretenen Treppe, die am Ende des Raums nach oben führte. »Treppe«, sagte er. »Treppensims. Rohre. Vorsprung.«
Aus dem Treppensims auf halber Höhe ragte eine Art Sims aus Beton. »Ein relativ neuer Anbau - aus den letzten zwanzig Jahren, würde ich schätzen. Bei der Modernisierung der sanitären Einrichtungen angebracht.«
»Da kommen wir nicht unentdeckt hin.«
»Meinst du? Auf dem Weg von dem Treppenabsatz zu dem Vorsprung würden wir nur relativ kurze Zeit sichtbar sein. Der Raum ist voll Zigarettenqualm, und im Übrigen sind die ziemlich auf ihr Kartenspiel konzentriert. Wir hätten immer noch das Prinzip der Gleichzeitigkeit. Bloß dass wir den Haupteingang und den Schacht benutzen müssen.«
»Das war also dein Plan für den Notfall?«, konterte Katsaris. »Du improvisierst mehr als das Miles-Davis-Quintett. Herrgott, Paul, was ist das eigentlich, ein Einsatz oder eine Jam Session?«
»Theo?«
Ein Flehen um Verständnis.
»Und welche Garantie haben wir, dass in dem Verlies nicht eine weitere Wache steckt? Im selben Raum wie die Geisel.«
»Jeder enge Kontakt mit Peter Novak ist gefährlich. Das weiß die KLF - sie bewachen ihn, isolieren ihn aber von den Kagama-Rebellen.«
»Wovor haben sie denn Angst - dass er mit einem Manschettenknopf eine Wache bedroht?«
»Vor seinen Worten haben sie Angst, Theo. In einem armen Land sind die Worte eines Plutokraten hochgradig gefährlich als Fluchtmittel viel beängstigender als jede Säge. Deshalb treten die Wachen nur in Gruppen und in einiger Distanz von dem Gefangenen auf. Überleg doch -wenn der Gefangene mit einer einzelnen Wache Kontakt herstellen würde - wer weiß da schon, wie er ihn manipulieren könnte? Vergiss nicht, Theo, das Pro-KopfEinkommen in Anura beträgt weniger als siebenhundert Dollar im Jahr. Stell dir doch eine Kagama-Wache vor, die mit einem Mann, der Milliarden besitzt, ins Gespräch kommt. Du kannst es dir ja ausrechnen. Jeder weiß, dass Novak ein Mann ist, der sein Wort hält. Angenommen, du bist ein Kagama-Rebell und er sagt dir, dass er dich und deine Familie reich machen kann, reicher, als du dir in deinen kühnsten Träumen ausmalen könntest. Du würdest anfangen, darüber nachzudenken - das liegt in der Natur des Menschen. Manche Leute könnte die ideologische Begeisterung gegen eine solche Versuchung immun machen, so wie es beim Kalifen der Fall ist. Aber niemand, der hier etwas zu sagen hat, wird sich darauf verlassen. Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser. Also bewacht man ihn, aber man isoliert ihn auch. Nur das bietet Sicherheit.«
Katsaris lächelte plötzlich. »Okay, Boss, dann darf ich um meinen Marschbefehl bitten«, sagte er. Beide Männer waren an einem Punkt angelangt, wo Angst und Furcht keine Rolle mehr spielten; eine seltsame, abgeklärte Ruhe hatte sich über sie gelegt, zumindest für den Augenblick.
Das Gitter aus der Schachtmündung zu entfernen erforderte den Einsatz beider, und die Arbeit wurde dadurch noch erschwert, dass es völlig geräuschlos geschehen musste. Als Janson schließlich Katsaris verließ, schmerzten seine Gelenke und Muskeln. Er war kein junger Mann mehr, daran gab es nichts zu deuteln. Die Beretta in ihrem Schenkelhalfter presste sich in sein Fleisch. Schweißtropfen standen auf seiner wasserfesten Gesichtsbemalung, rannen ihm in die Augen und brannten. Und seine Muskeln erholten sich nicht mehr so schnell wie früher einmal, musste Janson erkennen; sie blieben länger verknotet - sie schmerzten, und das zu einem Zeitpunkt, wo körperlicher Schmerz das Allerletzte war, womit er sich auseinander setzen wollte. Vor Jahren hatte er sich mitten im heißesten Kampf gefühlt, als wäre er selbst eine Waffe, ein Automat. Jetzt fühlte er sich nur allzu menschlich. Seine Nylonkombination drückte und scheuerte an seinen Knien, im Schritt, unter den Armen, an den Ellbogen, überall.
Ein demütigender Gedanke ging ihm durch den Sinn: Vielleicht hätte er am Schacht bleiben und Katsaris diesen Part übernehmen lassen sollen. Jetzt kletterte er an dem Gemäuer, das die Wand stützte, nach oben auf den schmalen, rechteckigen Spalt zu, der zum inneren Rand der Veranda führte. Dieser rechteckige Spalt, einer von mehreren, die am Dach
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