Der Janson-Befehl
sorgfältig, bis ein Magazin mit dreißig Schuss geleert war und er das nächste einklinkte. Geschrei erfüllte den Raum.
Jetzt erschien Katsaris; er kam mit einer polarisierenden Brille und einem leise bellenden MP5K die Treppe herunter und nahm die Guerilleros aus einem anderen Winkel unter Beschuss.
Binnen Sekunden war alles vorbei. Janson überlegte, dass kaum einer der Männer auch nur Gelegenheit gehabt hatte, ihrem Gegner in die Augen zu sehen. Sie waren völlig unpersönlich hingeschlachtet worden, von einer glatt funktionierenden Automatikwaffe, die in einer Sekunde fünfzehn Schuss abgab. Infolge der Schalldämpfung waren die Feuerstöße aus der MP5K nicht nur tödlich, sondern gespenstisch leise. Janson brauchte einen Augenblick, ehe ihm klar wurde, woran das Geräusch ihn erinnerte: das Flattern eines Spiels Karten, das gemischt wurde. Töten sollte nicht so klingen, dachte er bei sich. Das war eine zu triviale Untermalung für eine so folgenreiche Aktion.
Als die Düsternis und die Schatten wieder da waren, nahmen Janson und Katsaris die Schutzbrillen ab. Die nackte Vierzig-Watt-Birne, die von der Decke baumelte, war noch intakt, stellte Janson fest. Die Wachen hatten kein solches Glück gehabt. Ihre Leichen waren über den Boden verteilt, als ob die Hohlspitzgeschosse sie dort aufgespießt hätten. Sie hatten so funktioniert, wie ihre Konstruktion es vorsah, hatten ihre ganze Kraft in den Körpern zur Geltung gebracht, die sie getroffen hatten, waren wenige Zentimeter nach dem Eindringen in diese Körper zum Stillstand gekommen und hatten alle lebenswichtigen Organe, auf die sie getroffen waren, zerfetzt. Als Janson näher trat, sah er, dass einige der Männer gestorben waren, noch bevor sie ihre M16-Karabiner entsichern konnten.
Bewegte sich da noch jemand? Er brauchte ein paar Augenblicke, bis er es sah. Der junge Mann, der die verblüffende Sequenz von dreizehn Karten ausgespielt hatte, rutschte über den Boden - der Mann, der den Blick zu dem Betonsims gehoben hatte. Sein Oberkörper war rot, glitschig, aber seine Arme waren ausgestreckt, griffen nach dem Revolver des leblosen Soldaten neben ihm.
Janson gab einen weiteren Feuerstoß aus seiner HK ab. Wieder wurden die Karten des Lebens gemischt, und der junge Mann erstarrte in seiner Bewegung.
Der Raum war ein Schlachthaus, angefüllt mit dem süßlichen, Übelkeit erregenden Gestank von Blut und dem Inhalt zerfetzter Verdauungsorgane. Janson kannte diesen Geruch nur zu gut: Es war der Gestank des Lebens, sobald das Leben verschwunden war.
Herrgott im Himmel. Ein Gemetzel war das, nichts anderes. War es das, was er tat? War das er, der das tat? Die Worte eines alten Fitnessberichts kehrten zurück, verspotteten ihn: War er tatsächlich »in seinem Element«? Wieder wanderten seine Gedanken zu einem seiner Abschiedsgespräche.
»Sie haben kein Herz, Janson. Deshalb tun Sie das, was Sie tun. Verdammt noch mal, deshalb sind Sie der, der Sie sind.«
»Mag sein. Aber vielleicht bin ich nicht der, für den Sie mich halten.«
»Sie sagen, das Töten macht Sie krank. Jetzt werde ich Ihnen etwas sagen, was Ihnen eines Tages auch selbst klar sein wird: Nur so werden Sie das Gefühl haben, zu leben.«
»Was ist das für ein Mensch, der töten muss, um das Gefühl zu haben, dass er lebt?«
Was für eine Art Mensch war er?
Er spürte eine heiße, beißende Flüssigkeit in seiner Kehle. Hatte er durchgedreht? Hatte er sich auf eine Art und Weise verändert, die ihn für die Aufgabe ungeeignet machte, die er übernommen hatte? Aber vielleicht war das nur so, weil er zu lange nicht mehr im Einsatz gewesen war und die für diese Arbeit erforderlichen Schwielen sich abgelöst hatten.
Ihm war danach, sich zu übergeben. Aber er wusste auch, dass er das nicht tun würde. Nicht vor Theo, seinem guten Protege. Nicht mitten in einem Einsatz. Nicht jetzt. Diesen Luxus würde er seinem Körper nicht erlauben.
Eine kühl warnende Stimme in seinem Kopf schaltete sich ein: Ihre Opfer waren schließlich Soldaten gewesen. Sie hatten gewusst, dass ihr Leben ersetzbar war. Sie gehörten einer Terroristenbewegung an, die einen international hoch angesehenen Mann gefangen genommen und feierlich geschworen hatte, ihn zu exekutieren. Indem sie einen Zivilisten bewachten, der gegen jedes Recht und Gesetz eingesperrt wurde, hatten sie sich selbst in die Schusslinie gebracht. Sie hatten geschworen, für Ahmad Tabari, el Kalif, ihr Leben zu geben - alle hatten sie das.
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