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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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oder?«
    »Privatfahrzeug?«
    »Ein fabrikneuer Lexus.«
    Ich schwieg.
    »Warum stellen seine eigenen Leute sich nicht solche Fragen?«, wollte sie wissen.
    »Das tun sie nie«, antwortete ich. »Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen? Etwas kann einem förmlich ins Auge springen, aber sie sehen es trotzdem nicht.«
    »Ich begreife das nicht«, sagte sie.
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Sie sind auch nur Menschen«, erklärte ich. »Das müssen wir ihnen nachsehen. Vorgefasste Meinungen sind hinderlich. Sie fragen sich, wie gut er ist, nicht jedoch, wie schlecht er sein könnte.«
    Sie nickte. »Genau wie ich zwei Tage damit vergeudet habe, statt der Zeitung den Umschlag im Auge zu behalten. Vorgefasste Meinungen.«
    »Aber sie sollten’s besser wissen.«
    »Eigentlich schon.«
    »Militärischer Geheimdienst«, sagte ich.
    »Das größte Oxymoron der Welt«, antwortete Kohl in einem altvertrauten Ritual. »Wie sichere Gefahr.«
    »Wie trockenes Wasser«, fügte ich hinzu.
     
    »Hat’s Ihnen geschmeckt?«, fragte Elizabeth Beck mich zehn Jahre später.
    Ich gab keine Antwort. Vorgefasste Meinungen sind hinderlich.
    »Hat’s Ihnen geschmeckt?«, wiederholte sie.
    Ich sah sie nur an. Vorgefasste Meinungen.
    »Entschuldigung?«, sagte ich. Alles, was du gehört hast.
    »Das Essen«, sagte sie. »Hat’s Ihnen geschmeckt?«
    Ich sah auf meinen Teller. Er war leer gegessen.
    »Es war wundervoll«, sagte ich. Alles, was du gesehen hast.
    »Wirklich?«
    »Keine Frage«, antwortete ich. Du hast nichts Brauchbares entdeckt.
    »Das freut mich«, sagte sie.
    »Vergessen Sie Hopper und Pasternak«, meinte ich. »Und Raymond Chandler. Ihre Köchin ist ein Genie.«
    »Geht’s Ihnen gut?«, fragte Beck. Er hatte die Hälfte seines Essens übrig gelassen.
    »Bestens«, sagte ich. Überhaupt nichts.
    »Sicher?«
    Keinerlei Beweise.
    »Ja, das ist mein Ernst«, sagte ich.
    Und das war wirklich mein Ernst. Weil ich wusste, was ich in dem Saab finden würde. Ganz ohne Zweifel. Deshalb fühlte ich mich bestens. Aber ich schämte mich auch ein wenig. Denn ich war ziemlich begriffsstutzig gewesen. Erbärmlich begriffsstutzig. Ich hatte sechsundachtzig Stunden gebraucht, über dreieinhalb Tage. Ich war genauso begriffsstutzig gewesen wie Quinns frühere Einheit. Etwas kann einem förmlich ins Auge springen, aber sie sehen es trotzdem nicht. Ich drehte den Kopf zur Seite und starrte Beck an, als sähe ich ihn zum ersten Mal.

11
     
    Ich wusste es, aber bei Kaffee und Nachtisch beruhigte ich mich rasch wieder. Ich hörte auch auf, mich zu schämen. Diese Empfindungen verdrängte ich. Stattdessen begann ich etwas besorgt zu werden, weil mir der genaue Umfang der taktischen Probleme bewusst wurde. Und die waren gewaltig. Sie würden eine ganz neue Definition des Begriffs von einem allein und verdeckt arbeitenden Ermittler erfordern.
    Dann war das Abendessen beendet. Wir schoben scharrend unsere Stühle zurück und standen auf. Ich blieb im Speisezimmer zurück. Ich hatte es nicht eilig, schon jetzt an den Wagenhimmel des Saabs heranzukommen. Damit konnte ich mich später befassen. Stattdessen half ich der Köchin beim Abservieren. Das erschien mir höflich. Vielleicht wurde es sogar erwartet. Die Becks verschwanden irgendwohin, und ich trug das Geschirr in die Küche. Dort saß der Hausmeister bei einer größeren Portion Roastbeef, als ich sie bekommen hatte. Bei seinem Anblick begann ich mich wieder etwas zu schämen. Ihn hatte ich bisher völlig übersehen. Hatte kaum über ihn nachgedacht, mich nie gefragt, wozu er hier war. Aber das wusste ich jetzt.
    Ich stellte die Teller in den Geschirrspüler. Die Köchin verstaute die Reste im Kühlschrank und putzte die Arbeitsflächen, sodass wir nach knapp einer Viertelstunde mit allem fertig waren. Dann erklärte sie mir, sie gehe jetzt schlafen. Also wünschte ich ihr eine gute Nacht, verließ das Haus durch die Hintertür und ging zu den Felsen. Ich wollte mir den Atlantik ansehen, den Stand der Gezeiten abschätzen. Ich hatte keine Erfahrung mit dem Meer, wusste nur, dass Ebbe und Flut sich zweimal täglich abwechselten, aber nicht, wann oder weshalb. Glaubte mich dunkel daran zu erinnern, dass die Gezeiten etwas mit der Anziehungskraft des Mondes zu tun hatten. Im Augenblick schien die Flut abzulaufen. Ich blieb noch fünf Minuten draußen und ging dann in die Küche zurück. Der Hausmeister war verschwunden. Ich benutzte den mir von Beck ausgehändigten Schlüsselbund, um die innere Tür

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