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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Sache mit der Zeitung kannte. Das Dokument war noch nicht zweifelsfrei identifiziert. Aber als er mit ein paar anderen Leuten auf deren Jacht unterwegs war, konnte ich sein Boot durchsuchen.«
    »Wie?«
    »Vorbildlicher Einsatz einschlägiger Fähigkeiten«, sagte sie. »Ich habe einen Bikini getragen.«
    »Einen Bikini zu tragen ist eine besondere Fähigkeit?«, fragte ich.
    »Da war’s noch heiß«, sagte sie. »Ich hab mich unter die anderen Jachthäschen gemischt. Bin über die Pier spaziert und seine kleine Gangway hinaufgegangen. Niemand hat mich beachtet. Ich habe das Schloss der Kajütentür geöffnet und die Kabine eine Stunde lang durchsucht.«
    Ich musste einfach fragen.
    »Wie haben Sie die Dietriche in einem Bikini versteckt?«, erkundigte ich mich.
    »Ich hatte Schuhe an«, meinte sie.
    »Haben Sie die Blaupause gefunden?«
    »Ich habe alle gefunden.«
    »Hat das Boot einen Namen?«
    Sie nickte. »So habe ich den Besitzer ermittelt. Für solche Fälle gibt’s das Jachtregister.«
    »Wer ist der Mann also?«
    »Das ist der Teil, der Ihnen nicht gefallen wird«, sagte sie. »Er ist ein hoher Offizier beim Militärischen Nachrichtendienst. Ein Oberstleutnant, Nahostspezialist. Für irgendwas, das er im Golfkrieg geleistet haben soll, hat er gerade einen Orden bekommen.«
    »Scheiße«, sagte ich. »Aber vielleicht gibt’s doch noch eine harmlose Erklärung.«
    »Vielleicht«, sagte sie, »aber das glaube ich nicht. Ich habe erst vor einer Stunde mit Gorowski gesprochen.«
    »Okay«, sagte ich. Das war die Erklärung für den großen Dienstanzug. »Und?«
    »Ich habe ihn dazu veranlasst, mir seine Beweggründe zu erklären. Seine beiden Töchter sind zwei und vier Jahre alt. Die Vierjährige war vor acht Wochen einen Tag lang verschwunden. Sie will nicht darüber reden, was die Entführer mit ihr gemacht haben. Sie weint nur viel. Eine Woche später ist unser Freund vom Militärischen Nachrichtendienst aufgekreuzt. Er hat angedeutet, wenn Daddy nicht mitspiele, könne die Abwesenheit der Kleinen weit länger als nur einen Tag dauern. Ich sehe beim besten Willen keine harmlose Erklärung für so was.«
    »Richtig«, stimmte ich ihr zu. »Ich auch nicht. Wer ist der Kerl?«
    »Er heißt Francis Xavier Quinn«, sagte sie.
     
    Die Köchin servierte den nächsten Gang, der eine Art Roastbeef war, aber ich achtete nicht darauf, weil ich in Gedanken noch immer bei Francis Xavier Quinn war. Als er aus dem Krankenhaus in Kalifornien abgehauen war, hatte er seinen Familiennamen Quinn offenbar ebenso im Abfallbehälter zurückgelassen wie sein Krankenhausgewand, die Verbände und sein Armband mit dem Namen John Doe . Er hatte sich abgesetzt und sofort eine schon auf ihn wartende neue Identität angenommen. Eine Identität, die ihm wie angegossen passte. Nicht mehr Oberstleutnant Quinn, F. X., U. S. Army, Militärischer Nachrichtendienst, sondern nur noch Francis Quinn, ein anonymer Bürger.
    »Halb oder ganz durch?«, fragte Beck mich.
    Er tranchierte den Braten mit einem der Küchenmesser mit schwarzem Griff. Sie hatten in einem Messerblock gesteckt, und ich hatte daran gedacht, eines von ihnen zu benutzen, um ihn zu töten. Das Messer, das er jetzt verwendete, wäre eine gute Wahl gewesen. Es war gut fünfundzwanzig Zentimeter lang und rasiermesserscharf, denn es zerteilte mühelos das Fleisch.
    »Halb«, sagte ich. »Danke.«
    Er schnitt mir zwei Scheiben ab, was ich sofort bedauerte. Vor meinem geistigen Auge sah ich wieder den Leichensack. Ich hatte den Reißverschluss heruntergezogen und die Spuren eines anderen Messers gesehen. Das Bild hatte sich mir so stark eingeprägt, dass ich glaubte, das kalte Metall des Reißverschlussanhängers zwischen den Fingern zu spüren. Dann ging ich in Gedanken zehn volle Jahre zurück, ganz bis zum Anfang des Falls Quinn, und damit schloss sich der Kreis.
    »Meerrettich?«, fragte Elizabeth.
    Ich überlegte kurz. Dann nahm ich einen Löffel davon. Eine Soldatenregel lautete: Iss bei jeder Gelegenheit, schlafe bei jeder Gelegenheit – weil man nie wusste, wann man wieder dazu kommen würde. Deshalb blendete ich Quinn aus meinen Gedanken aus, lud mir noch Gemüse auf und begann zu essen. Fing wieder an nachzudenken. Alles, was du gehört, alles, was du gesehen hast. Ich musste wieder an den Jachthafen in Baltimore bei hellem Sonnenschein, den Briefumschlag und die Zeitung denken. Nicht dies, sondern jenes. Und an etwas, das Duffy gesagt hatte: Du hast nichts Brauchbares

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