Der Janusmann
abzuschließen. Die äußere ließ ich offen. Anschließend durchquerte ich die Eingangshalle und kontrollierte die Haustür. Ich nahm an, dass ich jetzt für solche Dinge zuständig war. Die Tür war abgesperrt, die Sicherungskette eingehakt. Im Haus war es still. Also ging ich in Dukes Zimmer und begann das Endspiel zu planen.
In meinem Schuh wartete eine Nachricht von Duffy auf mich. Sie fragte: Alles okay? Ich antwortete: Herzlichen Dank für die Telefone. Du hast meinen Arsch gerettet.
Ihre Antwort kam prompt: Meinen auch. War also auch Eigennutz .
Darauf antwortete ich nichts. Mir fiel keine passende Erwiderung ein. Sie hatte einen kleinen Aufschub erwirkt, aber das war schon alles. Ihr Arsch war nicht zu retten, was auch als Nächstes passierte. Dagegen konnte ich nichts tun.
Dann sendete sie: Bin alle Unterlagen durchgegangen und kann keine, wiederhole keine, Genehmigung für zweite Agentin finden.
Ich sendete: Ich weiß.
Ihre Antwort bestand nur aus zwei Zeichen: ??
Ich sendete: Wir müssen uns treffen. Ich rufe vorher an oder bin einfach da. Halte die Stellung.
Dann schaltete ich das Gerät ab und verstaute es wieder im Absatz. Fragte mich, ob ich es jemals wieder herausholen würde. Ich sah auf die Uhr. Es war kurz vor Mitternacht. Der vierzehnte Tag, ein Freitag, war fast vorüber. Der fünfzehnte Tag, ein Samstag, würde bald beginnen. Heute war es auf den Tag genau zwei Wochen her, dass ich mich vor der Bostoner Symphony Hall durch die Menge gedrängt hatte – auf dem Weg zu einer Bar, die ich niemals erreicht hatte.
Ich legte mich vollständig bekleidet aufs Bett. Ich ging davon aus, dass die kommenden vierundzwanzig bis achtundvierzig Stunden entscheidend sein würden, weshalb ich fünf der ersten sechs im Tiefschlaf verbringen wollte. Meiner Erfahrung nach verursacht Müdigkeit mehr Fehler als Leichtsinn und Dummheit zusammen. Deshalb machte ich es mir bequem und schloss die Augen. Stellte den Wecker in meinem Kopf auf zwei Uhr morgens. Er funktionierte, wie er’s immer tat. Als ich nach zweistündigem Schlaf erwachte, fühlte ich mich einigermaßen frisch.
Ich wälzte mich aus dem Bett und schlich nach unten. Gelangte durch die Eingangshalle in die Küche und sperrte die Hintertür auf. Was ich an Metall in den Taschen trug, ließ ich auf dem Küchentisch liegen. Dann trat ich ins Freie. Draußen herrschte stockfinstere Nacht. Die Brandung toste, und es war kalt. Ich ging zur vierten Garage und öffnete das Tor gerade so weit, dass ich hindurchschlüpfen konnte. Der Saab stand so da, wie ich ihn abgestellt hatte. Ich öffnete lautlos den Kofferraumdeckel, holte mein Bündel heraus, schlich die Mauer entlang und schob es in sein früheres Versteck. Dann machte ich mich daran, den ersten Leibwächter aus dem Kofferraum zu hieven. Er war ziemlich steif. Die niedrige Temperatur hatte bewirkt, dass die Leichenstarre früh eintrat. Ich legte ihn mir über die Schulter. Seine Arme standen wie Äste von seinem Körper ab.
Ich trug ihn zu der V-förmigen Felsspalte, die Harley mir gezeigt hatte. Legte ihn ab und wartete auf die siebte Woge. Kurz bevor sie sich am Strand brach, kippte ich den Toten in die Spalte. Das Wasser hob ihn hoch und spülte ihn fast bis zu mir hinauf. Er schwebte einen Moment lang unbeweglich vor mir, bis die Woge zurückwich, die Spalte sich leerte und er verschwunden war.
Ebenso funktionierte die Sache mit dem zweiten Mann. Ich blieb noch einen Augenblick in der Hocke, spürte die Brise auf meinem Gesicht und lauschte dem Geräusch der Brandung. Dann ging ich zurück, schloss den Kofferraum des Saabs und setzte mich ans Steuer. Ich zog die Kunststoffverkleidung ganz heraus, griff nach hinten und bekam die Notizen des Dienstmädchens zu fassen. Sie bestanden aus acht eng beschriebenen Seiten Schreibmaschinenpapier. Ich überflog sie im schwachen Lichtschein der Innenbeleuchtung. Sie waren sehr detailliert, enthielten alle Einzelheiten, aber im Prinzip nichts, was ich nicht schon wusste. Ich las sie ein zweites Mal, schob sie dann zu einem ordentlichen Stapel zusammen und ging damit bis zur äußersten Spitze der Landzunge. Dort hockte ich mich auf einen Felsen, faltete aus jedem Blatt ein Papierschiffchen und setzte sie nacheinander aufs Wasser. Beobachtete, wie sie auf den Wellen tanzend nach Osten in die rabenschwarze Finsternis davonschwammen.
Anschließend trat ich den Rückweg an und verbrachte einige Zeit damit, den Wagenhimmel wieder in seinen alten
Weitere Kostenlose Bücher