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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Kopf. Seine langen Haare flatterten im Wind.
    »Das war ein Schwindel«, sagte er. »Meine Mutter und ich haben darüber gesprochen. Dieser so genannte Überfall war fingiert.«
    Ich ließ mir Zeit mit der Antwort. Kann ich ihm schon trauen?
    »Nein, der war echt«, sagte ich. Nein, ich traue ihm noch nicht.
    »Die Collegestadt ist ein Nest«, sagte er. »Dort gibt’s ungefähr fünf Cops. Diesen Kerl hatte ich noch nie gesehen.«
    Ich schwieg.
    »Auch die Collegecops hatte ich noch nie gesehen«, fuhr er fort. »Dabei studiere ich seit fast drei Jahren dort.«
    Ich schwieg. Fehler, die einen später wieder einholen .
    »Warum haben Sie dann Ihr Studium aufgegeben?«, fragte ich. »Wenn der Überfall nur fingiert war?«
    Er gab keine Antwort.
    »Und wie kommt’s, dass Duke und ich in einen Hinterhalt geraten sind?«
    Er gab keine Antwort.
    »Was war er also?«, fragte ich. »Gestellt oder echt?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Sie haben selbst gesehen, wie ich sie erschossen habe«, sagte ich.
    Er schwieg. Ich sah aufs Wasser. Die siebte Woge rollte heran. Sie überschlug sich vierzig Meter weit draußen und schäumte schneller über die Felsen hinweg, als ein Mann rennen konnte.
    »Haben Sie oder Ihre Mutter mit Ihrem Vater darüber gesprochen?«
    »Ich nicht«, antwortete er. »Und ich werd’s auch nicht tun. Was meine Mutter vorhat, weiß ich nicht.«
    Und ich weiß nicht, was du vorhast, dachte ich. Seine Zwiespältigkeit machte ihn unberechenbar. Die Vorstellung, dass sein Vater hinter Gitter kommen würde, mochte ihm im Augenblick gefallen. Später konnte er seine Meinung wieder ändern. Wohin dieser Bursche tendieren würde, wenn’s ernst wurde, ließ sich unmöglich vorhersagen.
    »Ich hab Ihren Arsch gerettet«, sagte ich. »Mir gefällt nicht, dass Sie jetzt so tun, als wär’s nicht so gewesen.«
    »Wie Sie meinen«, sagte er. »Sie können sowieso nichts ausrichten. Dies wird ein hektisches Wochenende. Sie werden bei der Verteilung einer Lieferung mit anpacken müssen. Und danach sind Sie ohnehin einer von ihnen.«
    »Helfen Sie mir also«, sagte ich.
    »Wie?«
    »Sagen Sie Ihrem Vater, dass Sie mich hier haben möchten. Dass Sie jetzt nicht allein sein wollen. In solchen Dingen hört er auf Sie.«
    Er gab keine Antwort. Ließ mich einfach stehen und ging ins Haus. Ich vermutete, dass er im Esszimmer frühstücken würde. Ich blieb in der Küche. Die Köchin hatte meinen Platz am Kiefernholztisch gedeckt. Ich verspürte keinen Hunger, zwang mich jedoch dazu zu essen. Müdigkeit und Hunger sind schlimme Feinde. Ich hatte geschlafen, und jetzt würde ich essen. Ich wollte nicht im falschen Augenblick vor Hunger halb schwindlig sein. Ich aß Toast und leerte eine weitere Tasse Kaffee. Dann bekam ich etwas Appetit und vertilgte eine große Portion Rührei mit Schinken. Als ich bei der dritten Tasse Kaffee war, betrat Beck auf der Suche nach mir die Küche. Er trug Samstagskleidung: Jeans und ein rotes Flanellhemd.
    »Wir fahren nach Portland«, sagte er. »Zum Lagerhaus. Sofort.«
    Er ging wieder hinaus. Ich vermutete, dass Richard nicht mit ihm gesprochen hatte. Entweder mangels Gelegenheit oder aus freien Stücken. Ich kontrollierte meine Taschen, um mich davon zu überzeugen, dass meine Beretta sicher verstaut und die Schlüssel da waren. Dann holte ich den Wagen. Fuhr vor die Haustür, wo Beck mich schon erwartete. Er hatte eine Windjacke über sein Flanellhemd angezogen und sah aus wie ein Kerl aus Maine, der unterwegs ist, um Holz zu schlagen oder seinen Ahornbäumen Sirup abzuzapfen. Aber der Schein trog.
    Paulie hatte das Tor schon so weit geöffnet, dass ich zwar bremsen, aber nicht anhalten musste. Im Vorbeifahren warf ich ihm einen Blick zu. Ich ging davon aus, dass er heute oder auch morgen sterben würde. Oder dass ich sterben würde. Ich fuhr mit raschem Tempo die vertraute Straße entlang. Nach einer Meile kamen wir an den Platz, an dem Villanueva geparkt hatte. Vier Meilen weiter passierten wir die Stelle am Ausgang einer Kurve, wo wir den Leibwächtern aufgelauert hatten. Beck sagte kein Wort. Er hockte nach vorn gebeugt im Sitz. Hielt den Kopf gesenkt, aber seine Augen behielten die Straße vor uns im Blick. Er war sichtlich nervös.
    »Wir haben noch nicht miteinander geredet«, begann ich. »Sie haben mir Hintergrundinformationen versprochen.«
    »Später«, vertröstete er mich.
    Ich fuhr über die Route One, um diesmal die I-95 zu benutzen. Rollte nach Norden in

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