Der Janusmann
nachgesehen?«
»Überall«, erwiderte sie.
Sie trug wieder Jeans und ein weißes Hemd. Andere Jeans, ein anderes Hemd. Sie musste einen großen Vorrat davon mitgebracht haben. Dazu hatte sie Leinenschuhe an. Sie sah blendend aus, doch ihr Blick war sorgenvoll.
»Darf ich reinkommen?«, fragte ich.
Sie zögerte einen Augenblick wie geistesabwesend und trat dann zur Seite. Villanueva saß auf dem nach hinten gekippten Stuhl am Schreibtisch. Eliot hatte wie in meinem Bostoner Hotelzimmer am Fußende des Betts Platz genommen. Duffy musste sich am Kopfende des Betts niedergelassen haben, denn die senkrecht stehenden Kissen zeichneten die Form ihres Rückens nach.
»Wo hast du nachgesehen?«, wiederholte ich.
»Im gesamten System. Quer durchs ganze Justizministerium, also bei FBI und DEA. Sie ist einfach nicht zu finden.«
»Schlussfolgerung?«
»Auch sie war inoffiziell im Einsatz.«
»Was eine Frage nahe legt«, warf Eliot ein. »Beispielsweise: Was zum Teufel geht hier vor?«
Duffy setzte sich wieder ans Kopfende des Betts und ich mich neben sie. Sonst gab es keinen Platz für mich. Sie zog ein Kissen hinter sich heraus und stopfte es mir in den Rücken.
»Nicht besonders viel«, bemerkte ich. »Außer dass wir drei vor zwei Wochen angefangen haben, uns wie die Keystone Cops zu benehmen.«
»Wieso?«
Ich verzog das Gesicht. »Ich war auf Quinn fixiert, ihr auf Teresa Daniel. Wir waren alle so besessen, dass wir uns darangemacht haben, ein Kartenhaus zu bauen.«
»Wieso?«, fragte er wieder.
»Das war mehr meine Schuld als Ihre«, sagte ich. »Denken Sie an die allererste Zeit vor elf Wochen.«
»Die betrifft Sie nicht. Damals hatten Sie noch nichts mit diesem Fall zu tun.«
»Berichten Sie mir genau, wie alles abgelaufen ist.«
Eliot zuckte mit den Schultern. Dachte kurz nach. »Wir haben aus L. A. erfahren, dass eine wichtige Person sich gerade ein Flugticket erster Klasse nach Portland, Maine, besorgt hatte.«
Ich nickte. »Also haben Sie ihn bei seinem Treffen mit Beck beschattet und ihn wobei fotografiert?«
»Beim Begutachten von Mustern«, antwortete Duffy. »Bei einem Deal.«
»In einer privaten Tiefgarage«, sagte ich. »Und ganz nebenbei: Wenn sie privat genug war, um euch wegen des Vierten Verfassungszusatzes in Schwierigkeiten zu bringen, hättet ihr euch vielleicht fragen sollen, wie Beck dort reingekommen ist.«
Sie sagte nichts.
»Wie ist’s weitergegangen?«, fragte ich.
»Wir haben uns Beck angesehen«, sagte Eliot, »und ihn für einen Großimporteur und einen wichtigen Dealer gehalten.«
»Was er ist«, sagte ich. »Und ihr habt Teresa auf ihn angesetzt.«
»Inoffiziell«, betonte er.
»Das spielt keine Rolle«, sagte ich.
»Was ist also schief gegangen?«
»Das Ganze war ein Kartenhaus«, antwortete ich. »Ihr seid zu Anfang einem winzigen Trugschluss erlegen.«
»In welcher Beziehung?«
»In einem Punkt, den ihr früher als ich hättet erkennen müssen.«
»In welchem?«
»Fragt euch mal, wieso das Dienstmädchen in keinem Computer auftaucht.«
»Sie hat inoffiziell gearbeitet. Das ist die einzig mögliche Erklärung.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie war völlig legal im Einsatz. Sie ist überall registriert. Ich habe einige ihrer Notizen gefunden. Kein Zweifel möglich.«
Duffy starrte mich an. »Reacher, was geht hier vor?«
»Beck hat einen Hausmeister, der in Wirklichkeit Mechaniker ist«, sagte ich. »Eine Art Techniker. Wofür?«
»Keine Ahnung«, sagte sie.
»Ich habe mich das auch nicht gefragt«, sagte ich, »obwohl ich’s hätte tun sollen. Aber ich war genau wie ihr auf eine Idee fixiert.«
»Auf welche?«
»Beck kannte den Ladenpreis eines Revolvers Colt Anaconda«, sagte ich. »Auch sein Gewicht. Duke hatte eine Steyr SPP, eine seltene österreichische Pistole. Angel Doll hatte eine PSM, eine sehr seltene russische Pistole. Paulie hat ein NSW, wahrscheinlich das einzige Exemplar in den Vereinigten Staaten. Beck ist immer wieder darauf zurückgekommen, dass wir mit Uzis, nicht mit Heckler & Koch HP5 überfallen worden sind. Er versteht genug von Waffen, um eine Beretta 92FS so herrichten zu lassen, dass sie genau wie eine militärische M9 aussieht.«
»Und?«
»Er ist nicht, was wir geglaubt haben.«
»Was sonst? Du hast vorhin selbst gesagt, dass er ein Großimporteur und ein wichtiger Dealer ist.«
»Stimmt.«
»Und?«
»Du hast im falschen Computer nachgesehen«, erklärte ich. »Das Dienstmädchen ist nicht aus dem Justizministerium
Weitere Kostenlose Bücher