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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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ich mitten auf der Einfahrt an. Paulie trat etwas zur Seite und blieb so stehen, dass er mich links und Richard und Elizabeth rechts vor sich bedrohen konnte.
    »Richard!«, rief er. »Mach das Tor zu.«
    Er ließ den linken Colt auf mich gerichtet und schwenkte den anderen in Richtung des Jungen. Richard trat vor, packte die Gitterstäbe und knallte das Tor zu. Es fiel mit lautem, metallischem Klirren ins Schloss.
    »Jetzt die Kette vorlegen.«
    Richard fummelte an der Kette herum. Ich hörte sie klirren und scheppern. Ich hörte den Cadillac, dessen Motor zwölf Meter von mir entfernt auf der falschen Seite des Tors gehorsam im Leerlauf weiterlief. Ich hörte die Brandung hinter mir an den Strand donnern. Ich sah Elizabeth Beck in der Tür des Pförtnerhauses stehen. Sie war nur drei Meter von dem großen Maschinengewehr entfernt, das hinter ihr an der Kette hing. Es hatte keine Sicherungsvorrichtung. Aber Paulie stand im toten Winkel zwischen Tür und hinterem Fenster.
    »Absperren!«, rief er.
    Richard ließ das Vorhängeschloss einschnappen.
    »Jetzt stellst du dich mit deiner Mama hinter Reacher.«
    Die beiden trafen sich in der Nähe der Tür des Pförtnerhauses. Kamen auf mich zu. Gingen an mir vorbei. Beide waren blass und zitterten. Der Wind zerzauste Richards Haar. Ich sah seine Narbe. Elizabeth’ Bluse war noch offen. Sie hielt ihre Arme eng vor der Brust verschränkt. Ich spürte, wie die beiden hinter mir stehen blieben. Paulie baute sich drei Meter von mir entfernt mitten in der Einfahrt auf. Beide Revolverläufe waren auf meine Brust gerichtet. Die Kupfermantelgeschosse Kaliber 44 Magnum würden mich glatt durchschlagen – und Richard und Elizabeth vermutlich auch.
    »Reacher streckt jetzt seitlich die Arme aus«, rief Paulie.
    Ich folgte seinem Befehl.
    »Richard zieht Reacher jetzt den Mantel aus«, sagte Paulie. »Er zieht ihn vom Kragen aus herunter.«
    Ich spürte Richards Hände im Nacken. Sie waren kalt, packten meinen Kragen und zogen den Mantel herunter. Er glitt von meinen Schultern, rutschte die Arme hinab. Die Ärmel streiften erst ein Handgelenk, dann das andere.
    »Zusammenknüllen«, befahl Paulie.
    Ich hörte, wie Richard seiner Anweisung nachkam.
    »Herbringen«, wies Paulie ihn an.
    Richard blieb mit dem zusammengerollten Mantel anderthalb Meter vor Paulie stehen.
    »Wirf ihn übers Tor«, sagte Paulie. »Ganz weit.«
    Richard tat es, warf ihn so weit er konnte. Die Ärmel flatterten in der Luft, und er segelte übers Tor. Ich vernahm den dumpfen Aufprall, mit dem die Beretta in der Manteltasche auf die Motorhaube des Cadillacs aufschlug.
    »Jetzt das Gleiche mit dem Sakko«, befahl Paulie.
    Richard wiederholte den Vorgang mit meinem Sakko. Er kam neben dem Mantel auf der Motorhaube auf, rutschte über den glänzenden Lack und blieb als Häufchen Stoff neben dem Vorderrad liegen. Mir war kalt. Der Wind blies, und mein Hemd war dünn. Ich konnte Elizabeth hinter mir atmen hören: hektisch und flach. Richard wartete auf die nächsten Befehle.
    »Geh jetzt mit deiner Mama fünfzig Schritte weg«, wies Paulie ihn an. »In Richtung Haus.«
    Richard setzte sich in Bewegung, und seine Mutter schloss sich ihm an. Ich hörte sie im Gleichschritt davongehen. Ich drehte den Kopf zur Seite und sah, wie sie ungefähr vierzig Meter entfernt stehen blieben und sich umdrehten. Paulie bewegte sich rückwärts aufs Tor zu. Einen Schritt, zwei, drei. Er machte anderthalb Meter davor Halt. Sein Rücken blieb dem Tor zugekehrt. So hatte er mich in fünf bis sechs und vermutlich auch Richard und Elizabeth in vierzig Metern Entfernung im Blick. Wir waren wie Perlen an einer Schnur aufgereiht: Paulie am Tor und dem Haus zugekehrt; Richard und Elizabeth auf halber Strecke zum Haus und ihm zugewandt; ich in der Mitte, darauf wartend, was die nächste Minute bringen würde, Paulie zugekehrt, ihn unverwandt ansehend.
    Er lächelte.
    »Okay«, sagte er. »Pass jetzt gut auf.«
    Er ließ mich nicht aus den Augen, ging in die Hocke und legte die beiden Revolver auf den Asphalt; dann schlenzte er sie rückwärts in Richtung Tor. Ich hörte die Stahlgehäuse über die raue Oberfläche scharren, wo sie einen Meter hinter ihm liegen blieben. Er richtete sich wieder auf und zeigte mir seine Handflächen.
    »Keine Waffen«, sagte er. »Ich erledige dich mit bloßen Händen.«

12
     
    Ich konnte noch immer den Motor des Cadillacs im Leerlauf hören. Die langsam laufenden Keilriemen unter der Motorhaube. Und den

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