Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
Art Schock, und es war zwecklos, mit ihnen zu diskutieren. Also würde ich wenigstens versuchen, sie für mich arbeiten zu lassen. Wir gingen schweigsam die Zufahrt entlang zurück. Der Wind zerrte an unserer Kleidung. Ich hinkte, weil ich den rechten Schuhabsatz verloren hatte. An der Stelle, wo die Blutflecken begannen, hob ich den E-Mail-Sender auf. Das Gerät war demoliert und ließ sich nicht mehr einschalten. Ich steckte es ein. Dann fand ich den Gummiabsatz, hockte mich auf den Asphalt und drückte ihn unter meinen Schuh. Wir erreichten das Tor, nahmen die Kette ab und öffneten es. Ich hob Sakko und Mantel auf und zog beides an. Dann fuhr ich den Cadillac durchs Tor und parkte ihn an der Tür des Pförtnerhauses. Richard sicherte das Tor wieder mit der Kette. Ich ging hinein, öffnete den Verschluss des großen russischen Maschinengewehrs und zog den Patronengurt heraus. Dann hob ich das MG von dem Haken unten an der Kette, trug es nach draußen und verstaute es auf dem Rücksitz des Cadillacs. Anschließend ging ich wieder hinein, legte den Gurt in den Munitionskasten, nahm die Kette ab und schraubte den Haken aus dem Deckenbalken. Kasten, Kette und Haken kamen in den Kofferraum des Cadillacs.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte Elizabeth.
    »Drinnen stehen zwanzig Munitionskästen«, sagte ich. »Die brauche ich alle.«
    »Ich gehe nie wieder da hinein«, sagte sie. »Niemals!«
    »Dann können Sie mir auch nicht helfen, denke ich.«
    Ich trug jeweils zwei Kästen auf einmal, folglich musste ich zehnmal gehen. Ich stapelte die Kisten im Kofferraum, zwischen den Sitzen und im Fußraum des Beifahrersitzes. Dann rutschte ich hinters Steuer und begutachtete mein Gesicht im Spiegel in der Sonnenblende. Meine Unterlippe war aufgeplatzt und blutete. Die oberen Vorderzähne wackelten, was mir wirklich Sorgen machte.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Elizabeth.
    Ich tastete meinen Hinterkopf ab und fühlte eine empfindliche Stelle, wo ich auf den Asphalt geknallt war. Seitlich an der linken Schulter hatte ich eine größere Prellung. Meine Brust tat weh, und jeder Atemzug schmerzte. Aber insgesamt war ich okay und in besserer Verfassung als Paulie. Und nur darauf kam es an. Ich drückte meine Zähne mit den Daumen nach oben und hielt sie dort fest.
    »Hab mich nie besser gefühlt«, behauptete ich.
    »Ihre Lippe ist geschwollen.«
    »Das überlebe ich.«
    »Wir sollten feiern.«
    Ich glitt aus dem Wagen.
    »Wir sollten darüber reden, dass Sie von hier verschwinden müssen«, sagte ich.
    Sie äußerte sich nicht dazu. Das Telefon im Pförtnerhäuschen begann zu klingeln. Es schien wie aus weiter Ferne zu kommen. Ich lief hinein und nahm den Hörer ab. Meldete mich als Paulie, wartete einen Augenblick und hörte dann erstmals seit zehn Jahren wieder Quinns Stimme.
    »War er schon da?«, fragte sie.
    Ich zögerte.
    »Vor zehn Minuten«, antwortete ich. Ich hielt die Sprechmuschel halb zu und bemühte mich, meine Stimme leicht und hoch klingen zu lassen.
    »Ist er schon tot?«, fragte Quinn.
    »Seit fünf Minuten«, antwortete ich.
    »Okay, pass weiter auf. Wir haben heute einen langen Tag vor uns.«
    Da hast du Recht, dachte ich. Als er wortlos die Verbindung unterbrach, legte ich den Hörer auf und trat wieder ins Freie.
    »Wer war das?«, fragte Elizabeth.
    »Quinn«, sagte ich.
     
    Zum ersten Mal hatte ich Quinns Stimme vor zehn Jahren aus einem Kassettenrecorder gehört. Kohl überwachte sein Telefon. Dafür lag keine Genehmigung vor, aber damals waren die militärischen Bestimmungen noch weit großzügiger als die zivilen. Die Kassette war ein Rechteck aus durchsichtigem Kunststoff, in dem zwei kleine Tonbandspulen zu erkennen waren. Kohl, die einen Recorder von der Größe eines Schuhkartons mitgebracht hatte, schob die Kassette ein und drückte auf die Abspieltaste. Quinns Stimme füllte mein Dienstzimmer. Er telefonierte mit einer Offshore-Bank, besprach Überweisungsmodalitäten. Seine Stimme klang sehr entspannt. Quinn sprach langsam und deutlich in dem fast akzentfreien Tonfall, der das Produkt einer langen Laufbahn in der Army ist. Er nannte Kontonummern, gab Kennwörter an und traf Verfügungen über insgesamt eine halbe Million Dollar. Der größte Teil des Geldes sollte auf die Bahamas transferiert werden.
    »Er sendet das Bargeld per Post«, sagte Kohl. »Erst mal nach Grand Cayman.«
    »Ist das sicher?«
    Sie nickte. »Ziemlich sicher. Es könnte höchstens von Postbediensteten

Weitere Kostenlose Bücher