Der Janusmann
Deckenhaken heraus und rannte damit in Dukes Zimmer. Von seinem Fenster aus war die gesamte Zufahrt zu überblicken. Dies war die ideale Feuerstellung.
Ich zog meine Beretta, entsicherte sie und gab einen Schuss in die Zimmerdecke ab. Draußen blieben Richard und Elizabeth in fünfzig Metern Entfernung ruckartig stehen, bevor sie sich in Bewegung setzten und aufs Haus zurannten. Vielleicht glaubten sie, ich hätte die Köchin erschossen. Oder mich selbst. Ich stieg auf einen Stuhl, bohrte den Haken durchs Einschussloch und brach große Stücke Deckenputz heraus, bis ich einen massiven Holzbalken fand. Dann zielte ich sorgfältig, drückte nochmals ab und bohrte so ein Neun-Millimeter-Loch in den Balken. Ich schraubte den Haken hinein, hängte die Kette daran und testete diese Konstruktion mit meinem Gewicht. Sie hielt.
Ich ging wieder hinunter und öffnete die hinteren Türen des Cadillacs. Als Richard und Elizabeth den Wagen erreichten, erhielten sie von mir den Auftrag, die Munitionskästen nach oben zu schaffen. Ich trug das große Maschinengewehr nach oben. Hängte es an die Kette und führte den Anfang des ersten Patronengurts ein. Drehte die Mündung zur Wand und schob den unteren Teil des Schiebefensters hoch. Drehte die Mündung wieder zurück und schwenkte sie von links nach rechts, von oben nach unten. Von hier aus hatte ich die gesamte Mauer und die Zufahrt in ganzer Länge bis unmittelbar vor dem Haus im Schussfeld. Richard stand an der Tür und beobachtete mich schweigend.
»Bringen Sie alle Munitionskästen rauf«, sagte ich.
Dann rief ich Duffy im Motel an.
»Wollt ihr noch immer helfen?«, fragte ich.
»Ja«, sagte sie.
»Dann müsst ihr alle drei herkommen«, sagte ich. »So schnell wie möglich.«
Danach gab es nichts mehr zu tun, bis sie eintrafen. Ich wartete am Fenster und beobachtete die Straße. Betrachtete den Himmel. An diesem Tag wurde es schon mittags dunkel. Das Wetter verschlechterte sich noch mehr. Die Nordatlantikküste Ende April. Unberechenbar.
»Was passiert jetzt?«, erkundigte sich Elizabeth Beck.
»Schwer zu sagen«, antwortete ich.
»Wozu ist diese Waffe?«
»Sie ist eine Vorsichtsmaßnahme.«
»Wogegen?«
»Quinn hat acht Männer«, sagte ich. »Wir befinden uns mit dem Rücken zum Meer. Vielleicht müssen wir sie auf der Zufahrt aufhalten.«
»Sie wollen auf sie schießen?«
»Notfalls schon.«
»Was ist mit meinem Mann?«
»Machen Sie sich Sorgen um ihn?«
Sie nickte. »Ja.«
»Ich schieße auch auf ihn.«
Sie schwieg.
»Er ist ein Verbrecher«, sagte ich. »Selbst schuld, wenn er dadurch in Gefahr gerät.«
»Die Gesetze, die ihn zum Verbrecher machen, sind verfassungswidrig.«
»Glauben Sie?«
Sie nickte erneut. »Der Zweite Verfassungszusatz ist eindeutig.«
»Wenden Sie sich an den Obersten Gerichtshof«, riet ich ihr. »Lassen Sie mich damit in Ruhe.«
»Die Leute haben ein Recht, Waffen zu tragen.«
»Drogenhändler nicht«, sagte ich. »Ich kenne keinen Verfassungszusatz, der jemandem erlaubt, in dicht besiedelten Gebieten mit Schnellfeuerwaffen zu schießen. Mit Geschossen, von denen jedes einzelne eine Ziegelmauer durchschlagen kann. Und ahnungslose Unbeteiligte. Babys und Kinder.«
Sie sagte nichts.
»Haben Sie mal gesehen, wie das ist, wenn eine Kugel ein Baby trifft?«, fragte ich. »Sie bohrt sich nicht wie eine Nadel in seinen Körper, sondern zerschmettert ihn wie eine Keule.«
Sie sagte nichts.
»Versuchen Sie nie, einem Soldaten weiszumachen, Waffen seien ein harmloser Spaß«, sagte ich.
»Die Gesetzeslage ist klar«, entgegnete sie.
»Treten Sie meinetwegen der NRA bei«, sagte ich. »Ich lebe lieber hier in der richtigen Welt.«
»Er ist mein Ehemann.«
»Sie haben selbst gesagt, er verdiene es, hinter Gitter zu kommen.«
»Ja«, bestätigte sie. »Aber er verdient nicht den Tod.«
»Finden Sie?«
»Er ist mein Ehemann«, wiederholte sie.
»Wie wickelt er das Geschäft ab?«, wollte ich wissen.
»Die Übergabe erfolgt entlang der I-95«, antwortete sie. »Er schneidet aus billigen Teppichen das Mittelstück heraus und verpackt die Waffen darin. Äußerlich sehen die Teppichrollen ganz normal aus. Damit fährt er in Richtung Boston oder New Haven. Die Kunden treffen sich unterwegs mit ihm.«
Ich nickte. Erinnerte mich an die Teppichfasern, die ich überall gesehen hatte.
»Aber er ist trotzdem mein Ehemann«, beharrte Elizabeth.
Ich nickte wieder. »Ist er so vernünftig, sich nicht neben Quinn zu stellen, passiert
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