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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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sollte.«
    Er funkelte uns böse an, stieg aus dem Wagen und ging. Er sah sich nicht um. Vermutlich war das der Preis, wenn man sich ein richtiges Arschloch als Beobachter aussuchte.
    »Was ist eigentlich passiert?«, fragte Kohl. »Was haben wir gesehen?«
    »Da gibt’s nur zwei Möglichkeiten«, erwiderte ich. »Erstens: Quinn hat den Kerl betrogen, sonst nichts. Ein klassischer Trick. Man liefert immer wieder unbedeutendes Zeug und behält dann die letzte Lieferung ein. Zweitens: Er hat als legitimer Geheimdienstler gearbeitet. Mit offiziellem Auftrag. Hat bewiesen, dass Gorowski bereit war, Geheimmaterial zu verkaufen, für das die Syrer sehr viel Geld zahlen wollten.«
    »Er hat Gorowskis Tochter entführt«, widersprach sie. »Das war auf keinen Fall offiziell sanktioniert.«
    »Es hat schon schlimmere Dinge gegeben«, sagte ich.
    »Er hat sie abgezockt.«
    Ich nickte. »Das glaube ich auch.«
    »Was können wir also dagegen tun?«
    »Nichts«, antwortete ich. »Beschuldigen wir ihn, die Syrer abgezockt zu haben, um sich selbst zu bereichern, sagt er: ›Nein, das stimmt nicht, ich habe nur versucht, den Syrer der Spionage zu überführen. Das Gegenteil müssen Sie mir erst beweisen. ‹ Anschließend wird er uns nicht sehr höflich auffordern, unsere Nasen gefälligst nicht in Geheimdienstsachen zu stecken.«
    Sie schwieg.
    »Und wissen Sie was?«, fuhr ich fort. »Selbst wenn er sie abgezockt hat, wüsste ich nicht, mit welcher Begründung wir ihn verhaften sollten. Ist es nach Militärstrafrecht verboten, Geld von ausländischen Idioten anzunehmen, die dafür Aktenkoffer mit frischer Luft erhalten?«
    »Keine Ahnung.«
    »Dito.«
    »Aber die Syrer werden durchdrehen«, sagte ich. »Ich meine, sie haben ihm eine halbe Million Dollar gezahlt. Jetzt müssen sie reagieren. Ihr Stolz steht auf dem Spiel. Selbst wenn er legitim gearbeitet hat, ist er ein verdammt großes Risiko eingegangen. Die Syrer werden Jagd auf ihn machen. Er kann nicht einfach verschwinden und wird in der Kaserne bleiben müssen. Außerhalb wäre er ein leichtes Ziel.«
    Ich machte eine kurze Pause. Sah zu ihr hinüber. »Warum hat er das viele Geld auf andere Konten überwiesen, wenn er sich nicht absetzen will?«
    Sie sagte nichts. Ich sah auf meine Armbanduhr. Und dachte: Dies, nicht jenes . Oder vielleicht ausnahmsweise: Dies und jenes.
    »Eine halbe Million ist zu viel Geld«, sagte ich.
    »Wofür?«
    »Als Honorar für Quinn. So viel ist diese Waffe nicht wert. Bald gibt’s die ersten Prototypen. Dann wird eine Vorserie produziert. Innerhalb weniger Monate sind einige hundert Geschosse bis zur Quartiermeisterebene hinunter verteilt. Eines von denen könnten die Syrer vermutlich für zehntausend Dollar bekommen. Irgendein korrupter Unteroffizier würde ihnen eines besorgen. Sie könnten sogar kostenlos eines klauen. Dann hätten sie ein Muster und wären imstande, das Geschoss nachzubauen.«
    »Okay, dann sind sie eben miserable Geschäftsleute«, sagte Kohl. »Aber wir haben Quinn am Telefon gehört. Er hat eine halbe Million auf der Bank.«
    Ich sah wieder auf meine Uhr. »Ja, ich weiß.«
    »Also?«
    »Es ist trotzdem zu viel. Die Syrer sind nicht dümmer als andere Leute. Kein Mensch würde für einen veredelten Dartpfeil eine halbe Million Dollar ausgeben.«
    »Aber wir wissen, dass sie so viel gezahlt haben. Das haben Sie eben erst bestätigt.«
    »Nein«, sagte ich. »Wir wissen, dass Quinn eine halbe Million auf der Bank hat. Das ist Tatsache. Sie beweist aber nicht, dass die Syrer ihm eine halbe Million gezahlt haben. Dieser Teil ist reine Spekulation.«
    »Wieso?«
    »Quinn ist Nahostspezialist, ein cleverer Kerl und ein übler Bursche. Ich glaube, dass Sie Ihre Beobachtung zu früh eingestellt haben.«
    »Wen hätte ich observieren sollen?«
    »Ihn. Wohin er geht, mit wem er sich trifft. Wie viele zweifelhafte Regimes gibt es im Nahen Osten? Mindestens vier bis fünf. Was wäre, wenn er zu einigen anderen gute Beziehungen hätte? Oder gar zu allen? Wobei jedes glaubt, ihn exklusiv für sich gewonnen zu haben? Was wäre, wenn er denselben Betrug drei- oder viermal verüben würde? Das würde erklären, warum er eine halbe Million Dollar für etwas auf der Bank hat, was für keine Einzelperson eine halbe Million wert wäre.«
    »Und er zockt sie alle ab?«
    Ich sah nochmals auf die Uhr.
    »Schon möglich«, sagte ich. »Oder er meint es nur mit einem ernst. Vielleicht hat die ganze Sache so angefangen, und er wollte die

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