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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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ihn nervös wirken. Das könnte Quinn auffallen.«
    »Bei ihm ist das normal. Er kommt aus dem Nahen Osten.«
    Wir warteten. Die Tische waren in der Zwischenzeit fast alle besetzt. Inzwischen war es fast Mittag.
    »Da kommt Quinn«, sagte Kohl.
    »Korrekt«, bestätigte der Richter. »Quinn kommt jetzt.«
    Ich blickte nach Süden. Erkannte einen gut aussehenden Mann, schlank und sportlich, schätzungsweise eins fünfundachtzig groß und knapp neunzig Kilo schwer. Er sah etwas jünger als vierzig aus, hatte schwarzes Haar mit leicht angegrauten Schläfen. Er trug einen blauen Anzug mit weißem Hemd und mattroter Krawatte. Er bewegte sich rasch, ohne im Geringsten hektisch zu wirken. Sein Gang verriet, dass er sportlich fit war. Bestimmt ein Jogger. In der rechten Hand hielt er einen Aktenkoffer von Halliburton. Genau das Aluminiummodell des Syrers. Im Sonnenlicht glänzte das Metall leicht golden.
    Der Syrer legte seine Zigarette in den Aschenbecher und hob grüßend die Hand. Er schien sich nicht sonderlich wohl zu fühlen, aber das war vermutlich ganz normal. Richtiggehende Spionage im Zentrum einer feindlichen Hauptstadt ist kein Kinderspiel. Quinn entdeckte ihn und kam auf ihn zu. Der Syrer stand auf, und sie schüttelten sich über den Tisch hinweg die Hand. Ich musste unwillkürlich lächeln. Diese Szene war in Georgetown so alltäglich, dass sie keinem Menschen auffallen würde. Dann nahmen beide Platz. Quinn rutschte auf seinem Stuhl hin und her, bis er eine bequeme Position gefunden hatte, und stellte seinen Aktenkoffer dicht neben den des Syrers. Sah man nur flüchtig hin, hätte man glauben können, dort stehe ein einziger Koffer in doppelter Breite.
    »Aktenkoffer stehen nebeneinander«, sagte Kohl ins Mikrofon.
    »Korrekt«, sagte der Richter. »Die Aktenkoffer stehen nebeneinander.«
    Der Ober brachte dem Syrer den zweiten Espresso. Er nahm Quinns Bestellung auf und ging wieder. Der Syrer sagte etwas zu Quinn. Der Amerikaner lächelte. Ein sehr überlegenes, selbstbewusstes Lächeln. Der Syrer sagte wieder etwas. Er spielte seine Rolle. Quinn verrenkte sich den Hals und versuchte zu erkennen, wohin der Ober verschwunden war. Der Syrer griff wieder nach seiner Zigarette, drehte den Kopf zur Seite und blies den Rauch direkt in unsere Richtung. Dann drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus. Der Ober kam zurück und stellte eine große Kaffeetasse vor Quinn. Vermutlich mit Milchkaffee. Der Syrer nippte am Espresso, Quinn trank seinen Kaffee. Die beiden sprachen nicht miteinander.
    »Sie sind nervös«, meinte Kohl.
    »Aufgeregt«, korrigierte ich sie. »Sie haben’s fast geschafft. Dies ist ihr letzter Treff. Das Ziel ist in Sicht. Für beide. Sie wollen die Sache nur noch hinter sich bringen.«
    »Achten Sie auf die Aktenkoffer«, sagte Kohl.
    »Ich habe sie im Auge«, bestätigte der Richter.
    Quinn stellte seine Tasse auf den Tisch. Schob seinen Stuhl zurück. Streckte die rechte Hand aus. Griff nach dem Aktenkoffer des Syrers.
    »Quinn hat den Aktenkoffer des Syrers«, stellte der Richter fest.
    Quinn stand auf, sagte noch etwas, wandte sich dann ab und ging. Sein Schritt wirkte energiegeladen. Wir beobachteten ihn, bis er außer Sicht war. Der Syrer blieb auf der Rechnung sitzen, zahlte und ging dann, bis Frasconi aus einem Hauseingang trat, ihn am Arm nahm und zu uns zurückbrachte. Kohl öffnete die Hecktür, und Frasconi schob den Mann herein. Zu fünft war es ziemlich eng in dem Kastenwagen.
    »Machen Sie seinen Aktenkoffer auf«, verlangte der Richter.
    Aus der Nähe wirkte der Syrer weit nervöser als am Cafétisch sitzend. Er schwitzte und roch streng. Er legte Quinns Aktenkoffer auf den Boden und ging davor in die Hocke. Sah uns an, ließ dann die Schlösser aufschnappen und klappte den Deckel hoch.
    Der Aktenkoffer war leer.
     
    Ich hörte hinter der Tür der Xavier Export Company ein Telefon klingeln. Die Tür war massiv und schwer, sodass dieses Geräusch gedämpft und wie aus weiter Ferne klang. Aber dort klingelte ein Telefon – genau fünf Minuten nachdem Duffy und Villanueva die Tiefgarage verlassen haben mussten. Nach dem zweiten Klingeln nahm jemand ab. Was gesprochen wurde, konnte ich nicht hören. Ich vermutete, dass Duffy irgendeine Geschichte mit einer falschen Telefonnummer erfinden würde. Bestimmt würde sie versuchen, das Gespräch auszuweiten, damit es in der automatischen Aufzeichnung wichtig erschien. Ich gab ihr eine Minute. Kein Mensch hört sich eine

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