Der Janusmann
Fühlte glitschig nasse Felsen unter mir. Ich bog neunzig Grad nach links ab und machte nochmals eine Pause. Befand mich am äußersten Rand des Gebiets, das jemand im Blickfeld haben konnte, musste aber noch einen gut zehn Meter breiten, hell beleuchteten Streifen überwinden. Ich sprang auf, zog den Kopf ein und rannte geduckt los.
Etwa vier Sekunden lang befand ich mich in gleißend hellem Licht. Diese Sekunden erschienen mir wie eine Ewigkeit. Ich war geblendet. Dann stürmte ich wieder ins Dunkel, kauerte mich zusammen und horchte. Hörte nichts außer der tosenden See. Stolperte noch ein paar Schritte über die Felsen weiter und blieb erneut stehen. Sah mich um. Geschafft! Ich lächelte in der Dunkelheit. Quinn, jetzt komme ich dich holen.
15
Zehn Jahre zuvor hatte ich achtzehn Stunden auf ihn gewartet. Ich zweifelte nicht einen Moment daran, dass er kommen würde. Ich saß einfach mit der Ruger im Schoß in dem Sessel und wartete. Schlief nicht. Die ganze Nacht. Und den ganzen Vormittag. Der Mittag kam und ging.
Er tauchte um Punkt zwei Uhr nachmittags auf. Ich hörte einen Wagen auf der Straße langsamer werden, stand auf und beobachtete vom Fenster aus, wie er in die Einfahrt bog. Er fuhr einen Leihwagen wie ich. Seiner war ein roter Pontiac. Durch die Windschutzscheibe erkannte ich ihn ganz deutlich. Er wirkte sauber und gepflegt. Hatte ein blaues Hemd mit offenem Kragen an. Der Pontiac fuhr seitlich am Haus vorbei zum Hintereingang. Ich ging in den Flur hinaus und blieb an die Wand neben der Küchentür gepresst stehen.
Ich hörte, wie sich sein Schlüssel im Schloss drohte. Hörte, wie die Tür aufging. Die schlecht geölten Angeln quietschten. Er ließ die Tür offen und den Motor seines Wagens weiterlaufen. Er hatte nicht vor, lange zu bleiben. Ich hörte den raschen, selbstbewussten Schritt eines Mannes, der auf der Siegerstraße zu sein glaubt. Mein Ellbogen traf ihn seitlich am Kopf, als er durch die Tür trat.
Er krachte auf den Rücken. Ich war mit einem Satz über ihm und drückte ihn mit einer Hand an der Kehle zu Boden. Legte die Ruger beiseite und tastete ihn nach Waffen ab. Er war unbewaffnet. Ich nahm die Hand von seiner Kehle, und als er den Kopf heben wollte, traf mein Handballen ihn unter dem Kinn. Sein Hinterkopf knallte auf den Fußboden, und er wurde bewusstlos. Ich ging durch die Küche und schloss die Hintertür. Dann schleifte ich ihn an den Handgelenken ins Wohnzimmer, ließ ihn zu Boden fallen und ohrfeigte ihn. Zielte mit der Ruger auf sein Gesicht und wartete darauf, dass er wieder zu sich kam.
Als er die Augen wieder öffnete, starrte er zuerst die Waffe und dann mich an. Da ich meine Uniform trug, brauchte er nicht lange, um darauf zu kommen, wer ich war und weshalb ich mich hier aufhielt.
»Warten Sie«, sagte er.
»Worauf?«
»Sie machen einen Fehler.«
»Wirklich?«
»Sie irren sich.«
»Tatsächlich?«
Er nickte. »Sie haben sich bestechen lassen.«
»Wer denn?«
»Frasconi und Kohl.«
»Ach, wirklich?«
Er nickte wieder. »Und dann hat er versucht, sie zu betrügen.«
»Wie?«
»Kann ich mich aufsetzen?«
Ich schüttelte den Kopf. Zielte weiter mit der Pistole auf sein Gesicht.
»Nein«, sagte ich.
»Ich hatte eine Operation laufen«, erklärte er. »In Zusammenarbeit mit dem Außenministerium. Gegen uns feindlich gesinnte Botschaften. Ich wollte ein paar ihrer Geheimdienstler auffliegen lassen.«
»Was war mit Gorowskis kleiner Tochter?«
Er schüttelte ungeduldig den Kopf. »Der verdammten Göre ist nichts passiert, Sie Idiot! Gorowski musste sich an sein Skript halten, das war alles. Das Ganze war ein Täuschungsmanöver – es hätte ja sein können, dass der Feind ihn überprüfte. Wir planen solche Operationen sorgfältig. Für den Fall, dass jemand misstrauisch wird, muss es eine lückenlose Beweiskette geben. Deshalb haben wir tatsächlich mit toten Briefkästen und Ähnlichem gearbeitet, falls jemand uns beobachten sollte.«
»Wie war das mit Frasconi und Kohl?«
»Die beiden waren gut. Sie haben meine Fährte sehr bald aufgenommen. Haben vermutet, ich koche mein eigenes Süppchen, was mir nur recht war. Aber dann haben sie sich demaskiert. Sie haben mir angeboten, gegen Geld die Ermittlungen zu verzögern.Warum nicht?, dachte ich nur. Wer weiß, was dabei noch so alles ans Tageslicht kommt? Also bin ich zum Schein auf ihre Forderungen eingegangen.«
Ich schwieg.
»Die Ermittlungen sind langsam vorangekommen, oder?«, fragte er.
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