Der Janusmann
»Das muss Ihnen doch aufgefallen sein.«
Zäh wie Sirup.
»Gestern ist’s dann passiert«, fuhr er fort. »Ich hatte die Syrer, Libanesen und Iraner im Sack. Danach die Iraker, die der große Fisch waren. Deshalb dachte ich, es wäre an der Zeit, auch Ihre Leute in den Sack zu stecken. Sie waren bei mir, um sich die letzte vereinbarte Rate abzuholen. Das war ein Haufen Geld. Aber Frasconi wollte es für sich allein. Er hat mich niedergeschlagen. Als ich wieder zu mir gekommen bin, musste ich feststellen, dass er Kohl abgeschlachtet hatte. Er war verrückt, das können Sie mir glauben. Ich hab’s geschafft, an eine Pistole in einer Schublade ranzukommen, und ihn erschossen.«
»Warum sind Sie dann geflüchtet?«
»Weil ich die Nerven verloren habe. Ich arbeite als Offizier im Pentagon und hatte noch nie Blut gesehen. Außerdem wusste ich nicht, zu wievielt Ihre Leute waren. Es hätten mehr als diese beiden sein können.«
Frasconi und Kohl.
»Sie sind sehr gut«, erklärte er. »Und auf dem kürzesten Weg hierher gekommen.«
Ich nickte. Dachte an den achtseitigen Lebenslauf in Kohls deutlicher Handschrift. Beruf der Eltern, Wohnort in Kindheit und Jugend.
»Wessen Idee war das?«, fragte ich.
»Ursprünglich?«, erkundigte er sich. »Natürlich Frasconis. Er hatte den höheren Dienstgrad.«
»Wie war ihr Name?«
Ich sah ein Flackern in seinem Blick.
»Kohl«, antwortete er.
Ich nickte wieder. Sie war im großen Dienstanzug losgefahren, um ihn zu verhaften. Mit einem Namensschild über der rechten Brusttasche. Kohl. U. S. Army. Das musste er gesehen haben, als sie hereingekommen war.
»Vorname?«
Er zögerte.
»Habe ich vergessen«, sagte er.
»Frasconis Vorname?«
»Hab ich vergessen.«
»Versuchen Sie, sich an ihn zu erinnern«, forderte ich ihn auf.
»Er ist mir entfallen«, sagte er. »Das ist nur ein unwichtiges Detail.«
»Vier von zehn«, sagte ich. »Ungenügend.«
»Was?«
»Ihre Leistung«, erwiderte ich. »Damit fallen Sie durch.«
»Was?«
»Ihr Vater war Bahnarbeiter«, sagte ich. »Ihre Mutter Hausfrau. Ihr voller Name lautet Francis Xavier Quinn.«
»Und?«
»So laufen Ermittlungen ab«, fuhr ich fort. »Will man jemanden hochnehmen, informiert man sich erst mal gründlich über ihn. Sie hatten die beiden wochenlang an der Angel und haben nicht mal ihre Vornamen gekannt? Haben nie einen Blick in ihre Personalakten geworfen? Haben sich nie Aufzeichnungen gemacht? Haben nie einen Bericht geschrieben?«
Er schwieg.
»Außerdem hat Frasconi sein ganzes Leben lang keine eigenen Ideen gehabt«, erklärte ich. »Er ist ohne ausdrücklichen Befehl nicht mal scheißen gegangen. Kein Mensch, der mit den beiden zu tun hatte, würde jemals Frasconi und Kohl sagen, sondern nur Kohl und Frasconi . Sie haben ein schmutziges Spiel gespielt und meine Leute zum ersten Mal gesehen, als sie in Ihr Haus kamen, um Sie zu verhaften. Und Sie haben beide ermordet.«
Er bestätigte meine Vorwürfe, indem er mich anzugreifen versuchte. Aber darauf war ich vorbereitet. Als er sich aufzurappeln begann, schlug ich ihn mit viel mehr Kraft nieder, als eigentlich nötig gewesen wäre. Er war bewusstlos, als ich ihn in den Kofferraum seines Pontiacs hievte, und auch noch, als ich ihn hinter dem ehemaligen Schnellimbiss in den Kofferraum meines Wagens umlud. Ich fuhr auf der U. S. 101 ein Stück weit nach Süden und bog nach rechts auf eine Straße ab, die entlang der Pazifikküste verlief. Dort hielt ich auf einem mit Kies bestreuten Rastplatz, von dem aus man eine grandiose Aussicht hatte. Es war drei Uhr nachmittags. Die Sonne schien, und das Meer war blau. Die Begrenzung des Rastplatzes bestand aus einer kniehohen Leitplanke und einem schmalen Kiesstreifen dahinter, dem eine hohe senkrechte Felswand folgte, an deren Fuß sich die Wellen brachen. Es herrschte wenig Verkehr auf dieser Küstenstraße, weil der Highway sie eigentlich überflüssig gemacht hatte.
Ich öffnete den Kofferraum und schlug ihn für den Fall, dass Quinn das Bewusstsein wiedererlangt hatte, herausspringen und sich auf mich stürzen wollte, sofort wieder zu. Aber diese Befürchtung traf nicht zu. Er litt an Sauerstoffmangel und war noch ziemlich benommen. Ich zerrte ihn heraus, stützte ihn, weil er sich kaum auf den Beinen halten konnte, und zwang ihn mitzukommen. Ließ ihn kurz die Aussicht bewundern, während ich mich davon überzeugte, dass wir nicht beobachtet wurden. Dann drehte ich ihn um und trat fünf Schritte
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