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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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zurück.
    »Sie hat Dominique geheißen«, sagte ich.
    Anschließend drückte ich dreimal ab. Zwei Schüsse in den Kopf, einer in die Brust. Ich ging davon aus, dass er im Kies zusammenbrechen würde, worauf ich ihn mit einem vierten Schuss durchs Auge erledigen würde, bevor ich ihn ins Meer warf. Aber er brach nicht zusammen, sondern taumelte rückwärts, stieß gegen die Leitplanke, fiel darüber, prallte mit der Schulter auf dem letzten halben Meter Amerika auf und rollte sofort über die Kante. Ich stützte mich an der Leitplanke ab und beobachtete, wie er auf die Felsen krachte und die Brandung ihn fortriss. Er tauchte nicht wieder auf. Ich blieb noch eine Weile so stehen. Dachte: Zwei in den Kopf, einen ins Herz, ein Vierzigmetersturz ins Meer, das überlebt niemand.
    »Zehn-achtzehn, Dom«, sagte ich mir und ging zu meinem Wagen zurück.
     
    Zehn Jahre später, es wurde jetzt rasch dunkel, suchte ich mir einen Weg über die Felsen hinter den Garagen. Rechts von mir toste die See. Der Sturm blies mir ins Gesicht. Ich rechnete nicht damit, dass jemand draußen unterwegs sein würde, weshalb ich mich schnell und in aufrechter Haltung, in jeder Hand eine Persuader, fortbewegte. Quinn, jetzt komme ich dich holen.
    Als ich um die Ecke des Garagenblocks bog, konnte ich sehen, dass der Lieferwagen des Partydiensts an der rückwärtigen Ecke des Gebäudes stand. Genau dort hatte Harley den Lincoln mit der Leiche von Becks Dienstmädchen geparkt. Die Hecktüren standen offen, und Fahrer und Beifahrer liefen hin und her, um ihn zu entladen. Der Metalldetektor im Rahmen der Küchentür piepste bei jeder mit Alufolie abgedeckten Schüssel, die sie hineintrugen. Ich war hungrig. Der Wind wehte appetitanregende Essensdüfte zu mir herüber. Die beiden Männer waren ganz auf ihre Arbeit konzentriert. Trotzdem machte ich einen weiten Bogen um sie. Ich blieb am äußersten Rand der Felsen und umging den Wagen mit möglichst großem Abstand.
    Als ich weit genug entfernt war, bog ich wieder ab und hielt auf die entgegengesetzte Ecke des Hauses zu. Ich fühlte mich gut, kam mir unbesiegbar vor. Wie eine Art Naturgewalt, die von See her über das Haus hereinbrechen würde. Ich blieb stehen und zählte ab, welche Fenster zum Speiseraum gehören mussten. Ich fand sie, trat näher und riskierte einen Blick hinein.
    Als Ersten sah ich Quinn. Er stand in einem dunklen Anzug in der Nähe des offenen Kamins und hielt einen Drink in der Hand. Sein Haar war grau. Die kleinen Narben auf seiner Stirn glänzten rosig. Seine Haltung war gebeugt, und er wog etwas mehr als früher. Er war zehn Jahre älter geworden.
    Neben ihm erkannte ich Beck. Auch er trug einen dunklen Anzug und hielt einen Drink in der Hand. Ihnen gegenüber standen drei arabisch aussehende Männer. Sie waren klein, hatten mit Pomade zurückgekämmtes Haar und trugen amerikanische Kleidung. Anzüge in leicht changierenden hellen Grau- und Blautönen. Sie hielten ebenfalls Drinks in der Hand.
    Hinter ihnen entdeckte ich Richard und Elizabeth Beck, die sich unterhielten. Das Ganze glich einer Cocktailparty. Der riesige Esstisch war für achtzehn Personen gedeckt. Mit Stoffservietten, drei Gläsern vor jedem Teller und Besteck für eine Woche. Die Köchin machte die Runde mit einem Tablett, auf dem Champagnerflöten und Whiskeygläser standen. Sie trug einen schwarzen Rock mit weißer Bluse.
    Teresa Daniel war nirgends zu sehen. Vielleicht sollte sie später aus einer Torte steigen. Die übrigen Anwesenden waren drei Männer. Quinns beste Leute, vermutete ich. Ein willkürlich zusammengewürfeltes Trio, eine bunte Mischung. Wahrscheinlich nicht gefährlicher, als es Angel Doll oder Harley gewesen waren.
    Also nur zehn Gäste, obwohl für achtzehn Personen gedeckt war. Acht fehlten. Duke, Angel Doll, Harley und Emily Smith waren vier davon. Der Kerl, den sie als Ersatz für Paulie ans Tor beordert hatten, wäre vermutlich der fünfte Gast gewesen. Somit blieben drei unbekannt. Einer an der Haustür, einer oben in Dukes Zimmer und einer als Bewacher bei Teresa Daniel, dachte ich.
    Ich beobachtete die Szene noch etwas länger. Beim Militär war ich auf vielen Cocktailpartys und Banketten gewesen. Je nachdem, wo man stationiert war, spielten sie im Standortleben eine mehr oder weniger große Rolle. Ich vermutete, dass diese Leute sich mindestens drei Stunden im Speisezimmer aufhalten würden und es nur verließen, um auf die Toilette zu gehen. Quinn spielte den Alleinunterhalter.

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