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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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gegeben.«
    Der Kerl lächelte nicht.
    »Willkommen in Maine«, sagte er. »Hier kriegt man kein Geld geschenkt. Man muss es sich verdienen.«
    »Okay«, sagte ich.
    »Ich bin Angel Doll«, stellte er sich vor, als erwarte er, dass sein Name mich beeindrucken würde.
    »Ich bin Jack Reacher.«
    »Der Copkiller«, sagte er mit einem bestimmten Unterton in der Stimme.
    Er musterte mich noch einen Augenblick, dann wandte er den Blick ab. Ich konnte nicht herausbekommen, welche Rolle er spielte. Beck war der Boss und Duke der Leiter seines Sicherheitsdienstes, aber dieser jüngere Mann führte in ihrer Gegenwart ganz lässig das große Wort.
    »Wir sind in einer Besprechung«, sagte Beck. »Sie können draußen beim Wagen warten.«
    Er ging mit den beiden anderen ins Büro zurück und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Allein das bewies mir, dass es hier im Sekretariat nichts Lohnendes zu finden gab. Also schlenderte ich wieder ins Freie und inspizierte dabei genau die Alarmanlage. Sie war verhältnismäßig primitiv, aber effektiv. An der Tür und allen Fenstern waren Kontaktstreifen befestigt. Ihre Leitungen, die in Farbe und Durchmesser an Spaghetti erinnerten, verliefen in Bodennähe auf den Sockelleisten. Zusammengeführt wurden sie in einem Metallkasten, der in der Nähe des Anschlagbretts an der Wand hing. Dieses schwarze Brett war voller vergilbender Mitteilungen über Zusatzversicherungen für Angestellte und Standorte von Feuerlöschern und Fluchtwege im Brandfall. Der Schaltkasten der Alarmanlage wies ein Zahlenfeld und zwei kleine Kontrollleuchten auf. Neben der roten Leuchte stand ein , neben der grünen aus. Es gab keine getrennten Abschnitte. Keine Bewegungsmelder. Dies war nur eine primitive Vorfeldüberwachung.
    Ich wartete draußen nicht neben dem Cadillac, sondern lief eine Weile herum, bis ich ein Gefühl für die Umgebung bekommen hatte. Das ganze Gebiet, durch das sich eine Lkw-Zufahrt schlängelte, war mit ähnlichen Betrieben durchsetzt. Ich konnte mir vorstellen, dass es als Einbahnstraßensystem funktionierte. Container, die von den Kais im Norden kamen, wurden in den Lagerhäusern ent- und dann auf Lieferfahrzeuge geladen, um die Waren nach Süden zu transportieren. Becks Lagerhaus lag genau in der Mitte einer Fünferreihe, verfügte jedoch über keine von außen zugängliche Ladebucht und keine -plattform. Stattdessen wies es ein Rolltor auf. Dieses wurde im Augenblick von Angel Dolls Lincoln blockiert, doch es war selbst für Sattelschlepper groß genug. So ließ sich jederzeit Geheimhaltung herstellen.
    Dieses Gebiet war nicht mit einer Marinewerft zu vergleichen. Es gab keinen allgemeinen Sicherheitsdienst, keinen Maschendrahtzaun, kein Tor, keine Schlagbäume und keine Posten in Wachlokalen. Es war nur ein kreuz und quer gebautes Gebiet mit über vierzig Hektar voller Lagerhäuser, Pfützen und dunkler Ecken. Ich vermutete, dass hier zu jeder Tagesund Nachtzeit irgendwelche Aktivitäten stattfanden. Wie viele, war nicht abzuschätzen. Aber wahrscheinlich waren es genügend, um heimliches Kommen und Gehen zu kaschieren.
     
    Als die drei auftauchten, lehnte ich am linken Kotflügel des Cadillacs. Während Beck und Duke ins Freie traten, blieb Doll in der Tür stehen. Meine Hände steckten noch immer in den Manteltaschen, bereit, zuerst Duke zu erschießen. Aber keiner der drei verhielt sich irgendwie aggressiv. Auch nicht misstrauisch. Beck und Duke gingen lediglich auf ihren Wagen zu. Sie sahen müde und nachdenklich aus. Doll blieb in der Tür stehen, als gehörte der Laden ihm.
    »Also los«, sagte Beck.
    »Nein, wartet noch«, rief Doll ihnen nach. »Ich muss erst mit Reacher reden.«
    Beck blieb stehen. Drehte sich nicht um.
    »Fünf Minuten«, sagte Doll. »Länger dauert’s nicht. Ich schließe dann ab.«
    Beck und auch Duke äußerten sich nicht dazu. Ich ließ die Hände in den Manteltaschen und ging auf Doll zu. Der drehte sich um und ging durch den Sekretariatsbereich ins hintere Büro voraus. Dann durch eine zweite Tür in einen Glaskasten im eigentlichen Lagerhaus. Ich sah einen Gabelstapler und Stahlregale voller Orientteppiche. Die Regale waren mindestens sechs Meter hoch und die Teppiche alle eng zusammengerollt und verschnürt. In dem Glaskasten, aus dem eine weitere Tür ins Freie führte, standen ein Stahlschreibtisch mit einem Computer und ein abgewetzter Bürostuhl. Aus seinen aufgeplatzten Nähten quoll schmutzig gelber Schaumstoff. Doll nahm darauf Platz und sah

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