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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Reaktion. Vielleicht wollte sie, dass ich sie behielt. Ich schob sie hinten in den Hosenbund. Die Reservemagazine versteckte ich in meinen Socken. Dann fuhr ich wieder auf die I-95 und erreichte das unbebaute Grundstück in der Nähe des Hafens Portland genau zehn Stunden nach meiner Abfahrt. Niemand wartete dort auf mich. Kein schwarzer Cadillac. Ich stellte den Wagen auf der freien Fläche ab, ließ den Zündschlüssel ins Türfach fallen und stieg aus. Nach fünfhundert Highwaymeilen war ich müde und ein bisschen taub.
    Es war achtzehn Uhr, und die Sonne stand schon tief. Ich fror in der kalten Luft und dem feuchten Seewind und knöpfte meinen Mantel zu. Für den Fall, dass ich beobachtet wurde, blieb ich noch einen Augenblick stehen. Dann schlenderte ich davon, bemüht, ziellos zu wirken. Doch ich wollte nach Norden und sah mir die Gebäude auf meinem Weg genau an. Das Grundstück war von niedrigen Bürobauten umgeben. Sie sahen wie radlose Auflieger von Sattelschleppern aus, waren billig hergestellt und schlecht instand gehalten. Die zu ihnen gehörenden kleinen, ungepflegten Parkplätze standen voller Mittelklassewagen. Alles wirkte betriebsam und nüchtern. Hier wurden wirklich Geschäfte gemacht, das war klar. Keine luxuriösen Firmenzentralen, kein Marmor, keine Statuen, nur ein Haufen gewöhnlicher Leute, die hinter ungeputzten Fenstern mit defekten Jalousien schwer für ihr Geld arbeiteten.
    Manche der Büros befanden sich in Anbauten an der Seite von Lagerhäusern, die aus modernen Stahlfertigteilen errichtet waren. Praktisch alle verfügten über hüfthohe Ladeplattformen aus Stahlbeton. Sie standen auf schmalen Grundstücken, deren Einfahrten durch massive Betonsäulen gekennzeichnet waren. An diesen Säulen befanden sich Autolackspuren in sämtlichen der Menschheit bekannten Farbtönen.
    Nach ungefähr fünf Minuten entdeckte ich Becks schwarzen Cadillac. Er stand neben einem Lagerhaus auf einem Rechteck aus rissigem Asphalt in der Nähe einer Bürotür. Diese im Kolonialstil erbaute Tür erinnerte an eine Haustür in irgendeinem Vorort. Sie hatte keinen Schutzanstrich und war in der salzhaltigen Luft rau und grau geworden. Im oberen Drittel erkannte ich ein Schild mit der Aufschrift Bizarre Bazaar .
    Ich hörte ein Auto näher kommen, verschwand hinter dem benachbarten Lagerhaus und wartete. Es war eine große Limousine, die langsam heranrollte – ein Lincoln Town Car, glänzend schwarz und mit dem identisch, den wir vor dem Collegetor verschrottet hatten. Der Lincoln fuhr langsam an Becks Cadillac vorbei, bog um die Ecke und parkte hinter dem Lagerhaus. Ein Kerl, den ich nicht kannte, stieg aus. Er reckte sich gähnend, als hätte er ebenfalls eine weite Fahrstrecke hinter sich. Er war mittelgroß und trug sein schwarzes Haar ziemlich kurz. Hageres Gesicht, unreine Haut. Irgendwie sah er aus, als stünde er in der Hackordnung ganz unten. Er beugte sich noch einmal in den Wagen und zog einen tragbaren Scanner heraus. Das Ding hatte eine verchromte Stabantenne und einen Lautsprecher, aus dem Pieptöne kamen, wenn der entsprechende Sender nicht mehr als zwei Meilen entfernt war.
    Er marschierte um die Ecke und verschwand hinter der ungestrichenen Tür. Ich blieb vorerst, wo ich war. Ließ mir die letzten zehn Stunden nochmals durch den Kopf gehen. Aus der Sicht meines Beschatters hatte ich dreimal angehalten. Jeder Halt war so kurz gewesen, dass niemand auf falsche Gedanken kam. Eine visuelle Beobachtung hätte ein völlig anderes Bild ergeben. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich mich bei keinem Halt in Sichtweite eines schwarzen Lincolns befunden und Duffy vermutlich Recht hatte. Dieser Kerl und sein Scanner waren auf der Route One unterwegs gewesen.
    Ich blieb noch eine Minute stehen, bevor ich aus meinem Versteck trat, zu der Tür ging und sie aufstieß. Ein Gang führte rechtwinklig nach links zu einem kleinen Bereich mit Schreibtischen und Aktenschränken. Keiner der Schreibtische war besetzt. Aber an ihnen hatten vor kurzem noch Leute gearbeitet. Das war offensichtlich. In diesem Büro herrschte tagsüber Betrieb. Die drei Schreibtische waren voller Dinge, die Leute am Ende eines Arbeitstags zurücklassen: halb erledigte Vorgänge, Kaffeetassen, Haftnotizen an Bildschirmen, Souvenirbecher mit Bleistiften und Filzschreibern, Boxen mit Papiertaschentüchern. An den Wänden befanden sich Elektroheizkörper. Die Luft war sehr warm und roch schwach nach Parfüm.
    In der Rückwand dieses Raums

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