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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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gesamten Heimfahrt klingelte kein Telefon. Ich fuhr ruhig und zügig und brauchte meine Mitfahrer nie nach dem Weg zu fragen. Dann bog ich nach Osten in Richtung Atlantik ab. Hier war es längst stockfinster. Ich erreichte die Landzunge, fuhr auf den Felsenfinger hinaus und hielt geradewegs auf das Haus zu. Auf der gesamten Mauerkrone brannten Scheinwerfer. Der Bandstacheldraht funkelte. Paulie kam heraus, um uns das Tor zu öffnen. Er starrte mich finster an, als ich an ihm vorbeirollte. Ich ignorierte ihn, fuhr in flottem Tempo die Einfahrt hinauf und hielt genau vor der Haustür. Beck und Duke stiegen wortlos aus.
    »Wohin soll der Wagen?«, fragte ich Duke.
    »In die Garage, Arschloch«, antwortete er. »Ums Haus herum.«
    Das war der zweite Vorteil. Ich würde fünf Minuten allein sein.
    Ich folgte dem Kreisbogen, den die Einfahrt beschrieb, und lenkte den Wagen zur Südseite des Hauses. Der Garagenblock stand etwas abseits in einem von Mauern umgebenen Innenhof. Vermutlich war dieser Bau früher einmal der Pferdestall gewesen. Er hatte Granitpflaster vor den Toren und ein Kuppeldach mit Lüftungsschlitzen, damit der Stallgeruch entweichen konnte. Die Pferdeboxen waren entfernt worden, um Platz für vier Einzelgaragen zu schaffen. Den Heuboden hatte man zu einem Apartment ausgebaut. Ich vermutete, dass dort der schweigsame Hausmeister wohnte.
    Die Garage links außen, deren Tor offen stand, war leer. Ich fuhr den Cadillac hinein und stellte den Motor ab. Eine schwache Glühbirne an der Decke gab Licht. An den Wänden standen Regale mit all dem Krempel, der sich in einer Garage ansammelt: Öldosen, Kanister und alte Flaschen mit Autowachs. Ich sah einen Kompressor, mit dem sich Reifen aufpumpen ließen, und daneben einen Karton mit Putzlappen. Ich steckte die Schlüssel ein und stieg aus. Horchte auf ein Telefonklingeln drüben im Haus. Nichts. Ich begutachtete die Lappen. Zog einen heraus, der die Größe eines kleinen Handtuchs besaß. Ich benutzte ihn, um einen imaginären Fleck von der vorderen Stoßstange des Cadillac zu wischen. Sah mich dabei um. Niemand zu sehen. Ich wickelte Dolls PSM, Duffys Glock und die beiden Reservemagazine in den Lappen. Steckte das Bündel unter meinen Mantel. Vermutlich wäre es mir gelungen, die Waffen ins Haus zu schmuggeln. Ich hätte durch die Hintertür hineingehen und den Metalldetektor piepsen lassen, einen Augenblick verwirrt dreinschauen und dann den großen Schlüsselbund aus der Tasche ziehen können. Ein klassisches Täuschungsmanöver. Vielleicht hätte es sogar funktioniert, aber es wäre dann sehr schwierig gewesen, die Waffen wieder aus dem Haus zu schaffen. Falls nicht schon bald ein Anruf kam, würde ich das Haus vermutlich mit Beck oder Duke – oder mit beiden – auf dem gewöhnlichen Weg verlassen, ohne damit rechnen zu können, wieder in den Besitz des Schlüsselbundes zu kommen. Also musste ich mich entscheiden. Etwas riskieren oder auf Nummer Sicher gehen? Ich entschied mich dafür, auf Nummer Sicher zu gehen und meine Artillerie draußen zu verstecken.
    Ich verließ den Garagenhof und ging hinten ums Haus herum. Blieb an der Ecke der Mauer stehen, die den Innenhof umgab. Wartete einen Augenblick, bog dann rechtwinklig ab und folgte der Mauer in Richtung Felsen, als wollte ich einen Blick auf das Meer werfen. Das Wasser war schwarz und ruhig. Ich starrte eine Weile hinaus, dann bückte ich mich und schob die eingewickelten Waffen in eine kleine Aushöhlung am Fuß der Mauer. Dort wucherte spärliches Unkraut. Um sie zu finden, müsste man über sie stolpern.
    Ich schlenderte zurück, gab den nachdenklichen Mann, der ab und zu ein paar Minuten Einsamkeit brauchte, und ging in Richtung Hintereingang. Durchquerte die Veranda und gelangte so in die Küche. Der Metalldetektor piepste. Duke, der Hausmeister und die Köchin drehten sich ruckartig um. Ich überlegte kurz, dann zog ich den Schlüsselbund aus der Manteltasche. Hielt ihn hoch. Ihr Blick wandte sich wieder ab. Ich trat in die Küche und warf die Schlüssel vor Duke auf den Tisch. Er ließ sie dort liegen.
     
    Der dritte Vorteil von Dukes Erschöpfung zeigte sich im Verlauf des Abendessens immer deutlicher. Er konnte sich kaum noch auf den Füßen halten und sagte kein Wort. Die Küche war warm, und wir nahmen ein Mahl zu uns, das jeden schläfrig gemacht hätte. Es gab eine dicke Suppe und Steak mit Kartoffeln und Gemüse – und das reichlich. Die Teller quollen fast über. Die Köchin arbeitete

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