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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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gab es eine geschlossene Tür, hinter der halblaute Stimmen zu hören waren. Ich erkannte die von Beck und Duke. Sie sprachen mit einem dritten Mann, den ich für den Kerl mit dem Scanner hielt. Was sie sagten, war nicht genau zu verstehen, aber der Tonfall klang irgendwie dringlich. Als werde über etwas debattiert. Keiner erhob die Stimme, aber sie sprachen nicht über den bevorstehenden Betriebsausflug.
    Ich sah mir die Sachen auf den Schreibtischen und an den Wänden an. Am auffälligsten fand ich die beiden riesigen Wandkarten. Eine zeigte die ganze Welt. Das Schwarze Meer lag ziemlich genau in der Kartenmitte. Odessa war links von der Halbinsel Krim zu erkennen. Ich sah keine eingetragene Route, aber ich konnte mir den Weg vorstellen, den ein kleiner Frachter nehmen würde: durch den Bosporus und die Dardanellen, durchs Mittelmeer, die Meerenge von Gibraltar und dann mit voller Kraft voraus über den Atlantik nach Portland, Maine. Wahrscheinlich eine Seereise von zwei bis drei Wochen. Die meisten Schiffe sind ziemlich langsam.
    Auf der zweiten Wandkarte waren die Vereinigten Staaten abgebildet. Die Stadt Portland selbst verschwand unter einem fettigen Fleck, wo das Papier abgewetzt war. Ich vermutete, dass schon viele Leute ihren Daumen darauf gedrückt hatten, um Zeit und Entfernung abzuschätzen. Die Spanne einer nicht allzu großen Hand bezeichnete wohl eine Tagesstrecke. Jedenfalls war Portland nicht der ideale Ort für ein Umschlagszentrum. Der Hafen lag weit von den meisten Ballungsräumen an der amerikanischen Ostküste entfernt.
    Mit dem ganzen Papierkram auf den Schreibtischen konnte ich nichts anfangen. Ich sah nur, dass es sich um Versandpapiere handelte. Auf manchen Vordrucken standen Preise. Manche waren hoch, manche niedrig. Zu den Preisen gehörten Warenkodes. Sie konnten Teppiche oder auch etwas anderes bezeichnen. Aber auf den ersten Blick sah das Büro tatsächlich wie eine harmlose Versandabteilung aus. Ich fragte mich, ob Teresa Daniel hier gearbeitet hatte.
    Ich horchte erneut auf die Stimmen hinter der Tür. Jetzt klangen sie verärgert und sorgenvoll. Ich ging auf den Gang zurück, zog die Glock aus dem Hosenbund und steckte sie mit dem Zeigefinger am Abzug in meine Manteltasche. Eine Glock hat keinen Sicherungshebel, sondern eine Art zweifachen Abzug. Eine kleine Sperrklinke löst sich, wenn man Druckpunkt nimmt. Ich verstärkte den Druck leicht, fühlte sie nachgeben. Ich wollte vorbereitet sein und rechnete mir aus, dass ich zuerst Duke, dann den Kerl mit dem Scanner und zuletzt Beck erschießen würde. Er war vermutlich am langsamsten, und man hebt sich den Langsamsten immer für zuletzt auf.
    Ich steckte auch die linke Hand in die Manteltasche. Ein Mann, der eine Hand in der Tasche hat, wirkt bewaffnet und gefährlich. Einer, der beide Hände in den Taschen hat, sieht entspannt und lässig aus. Nicht bedrohlich. Ich atmete tief durch und ging dann ins Büro zurück, wobei ich absichtlich laut auftrat.
    »Hallo?«, rief ich.
    Die ins hintere Büro führende Tür wurde aufgerissen, und Beck, Duke sowie der neue Mann starrten mich an. Keine Waffen.
    »Wie bist du hier reingekommen?«, fragte Duke. Er wirkte noch müder als am Morgen.
    »Die Tür war offen«, antwortete ich.
    »Woher wussten Sie, welche Tür die richtige ist?«, erkundigte sich Beck.
    Ich behielt die Hände in den Manteltaschen. Ich konnte nicht sagen, dass ich das handgemalte Schild gesehen hatte, weil ich den Namen seiner Firma nur von Duffy wusste, nicht von ihm selbst.
    »Ihr Wagen steht draußen«, antwortete ich.
    Er nickte.
    »Okay«, meinte er.
    Er fragte nicht, wie die Fahrt nach New London verlaufen war. Die musste der Kerl mit dem Scanner ihm schon beschrieben haben. Der Neue war jünger als Beck. Jünger als Duke. Jünger als ich. Ich schätzte ihn auf Anfang dreißig. Er sah teils bemitleidenswert, teils gefährlich aus, so wie viele der Männer, die ich bei der Army eingebuchtet hatte. Die meisten waren miserable Soldaten gewesen.
    »Hat der Ausflug Spaß gemacht?«, fragte ich ihn.
    Er gab keine Antwort.
    »Ich hab gesehen, wie Sie vorhin mit dem Scanner reingegangen sind«, erklärte ich. »Ich hab die erste Wanze gefunden. Unter dem Beifahrersitz.«
    »Warum haben Sie danach gesucht?«, fragte er.
    »Gewohnheit«, erwiderte ich. »Wo war die zweite?«
    »Im Laderaum«, sagte er. »Sie haben nicht Halt gemacht, um irgendwo was zu essen.«
    »Kein Geld«, sagte ich. »Niemand hat mir welches

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