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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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dies kein Schlafraum, sondern eine Gefängniszelle.
    Ich ging wieder auf den Gang hinaus, schloss die Tür, blieb wieder stehen und horchte angestrengt. Nichts. Ich verbrachte fünf Minuten damit, den Rest des Kellers zu durchsuchen. Fand nirgends etwas, was mich jedoch nicht überraschte. Wäre hier etwas zu entdecken gewesen, hätte man mich am gestrigen Morgen nicht unbegleitet hier unten herumlaufen lassen. Also schaltete ich die Stablampe aus und tastete mich in der Dunkelheit wieder die Kellertreppe hinauf. In der Küche sah ich mich um, bis ich einen großen schwarzen Müllsack gefunden hatte. Dann suchte ich nach einem Handtuch, konnte aber nur ein quadratisches Geschirrtuch auftreiben. Ich faltete Sack und Tuch klein zusammen und stopfte sie in meine Taschen. Dann trat ich in die Eingangshalle hinaus, um mir die noch unbekannten Bereiche des Hauses anzusehen.
    Und davon gab es eine ganze Menge. Das Haus war das reinste Labyrinth. Ich begann meinen Streifzug von der Haustür aus. Die große Eichentür war geschlossen. Ich hielt Abstand zu ihr, weil ich nicht wusste, wie empfindlich der Metalldetektor reagierte. Manche piepsen schon, wenn man noch einen Viertelmeter von ihnen entfernt ist. Der Fußboden bestand aus massiven Eichenbohlen, auf denen dicke Teppiche lagen. Ich bewegte mich vorsichtig, obwohl ich nicht fürchtete, gehört zu werden. Die Teppiche, Vorhänge und holzgetäfelten Wände würden alle Geräusche schlucken.
    Ich suchte das gesamte Erdgeschoss ab. Nur ein Zimmer interessierte mich mehr als die anderen. Es lag auf der Nordseite des Hauses neben dem Raum, in dem Beck zweimal mit mir gesprochen hatte. An einem breiten Korridor gegenüber dem Speisezimmer der Familie. Der einzige abgesperrte Raum im Erdgeschoss. Das Schloss war ein großes Messingding aus einer Zeit, in der solche Gegenstände noch von Männern, die auf ihrer Hände Arbeit stolz waren, hergestellt wurden. Die aufs Holz geschraubte Schlossplatte bestand aus fein ziseliertem Messing. Die Schraubenköpfe selbst waren durch hundertfünfzigjähriges Polieren glatt geschliffen. Vermutlich hatte irgendein Handwerker in Portland, der sonst Schiffe ausrüstete, es im 19. Jahrhundert angefertigt. Ich brauchte etwa anderthalb Sekunden, um es aufzubekommen.
    Der Raum war ein Kabinett. Kein Büro, kein Arbeitszimmer, kein Freizeitraum. Ich suchte ihn mit dem Lichtstrahl der Stablampe ab. Hier gab es keinen Fernseher, keinen Schreibtisch, keinen Computer. Nur ein paar schlichte, altmodische Einrichtungsgegenstände. Das hohe Fenster verschwand hinter schweren Samtportieren. Die einzigen Möbelstücke waren ein dunkelroter Chesterfield-Sessel und ein Sammlerschrank mit Glastür. Dazu kamen kostbare Orientteppiche, die den Fußboden in bis zu drei Lagen bedeckten. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Kurz vor ein Uhr. Ich war jetzt knapp eine Stunde unterwegs. Ich betrat den Raum und schloss geräuschlos die Tür hinter mir.
    Der Sammlerschrank war etwa zwei Meter hoch. Über den beiden Schubladen, die über die gesamte Schrankbreite verliefen, befanden sich abgesperrte Glastüren. Dahinter sah ich fünf Maschinenpistolen der Marke Thompson. Sie waren die klassischen Gangsterwaffen mit Trommelmagazinen aus den zwanziger Jahren – Maschinenpistolen, die man auf körnigen Schwarzweißfotos von Al Capones Leuten sieht. Sie lagen genau waagrecht und abwechselnd nach links und rechts weisend auf eigens für sie angefertigten Halterungen aus Hartholz. Alle fünf waren identisch und schienen fabrikneu zu sein. Sie sahen aus, als wäre nie ein Schuss aus ihnen abgegeben worden. Der Ledersessel stand dem Schrank gegenüber. Sonst gab es in diesem Raum nichts Auffälliges. Ich ließ mich in den Sessel sinken und dachte darüber nach, weshalb jemand seine Zeit damit verbrachte, fünf alte Kugelspritzen zu bewundern.
    Dann hörte ich Schritte. Leichte Schritte, oben im ersten Stock, direkt über mir. Drei Schritte, vier, fünf. Rasche, leichte Schritte. Nicht nur nächtlich leises Auftreten, sondern bewusstes Bemühen, nicht gehört zu werden. Ich erhob mich, blieb unbeweglich stehen. Knipste die Maglite aus und nahm sie in die linke Hand. Hielt das Stemmeisen in meiner Rechten. Ich hörte, wie eine Tür leise geschlossen wurde. Danach herrschte Stille. Ich horchte angestrengt. Konzentrierte mich auf jeden kleinsten Laut. Die Hintergrundgeräusche der Heizung wurden in meinen Ohren zu einem gewaltigen Rauschen. Mein Atem kam mir unglaublich laut

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