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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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einem Arm aus. Hob das linke Handgelenk und sah auf die Uhr. Ich war seit sechs Minuten unterwegs.
    Es sollten noch sechs weitere werden. Ich blickte mich um. Die Mauer lag weit hinter mir. Ich änderte meinen Kurs und schwamm in Richtung Strand. Erreichte über glitschige, mit Moos bewachsene Felsen einen Kieselstrand. Warf den Sack voraus und kroch auf allen vieren aus dem Wasser. In dieser Haltung verharrte ich einen Augenblick keuchend und am ganzen Leib zitternd. Meine Zähne klapperten. Ich knotete den Müllsack auf. Fand das Handtuch. Rieb mich kräftig damit ab. Arme und Beine waren blau. Meine Sachen klebten auf der Haut. Ich zog die Schuhe an und steckte die Glock in den Hosenbund. Faltete den Plastiksack und das Handtuch zusammen und stopfte beides in meine Taschen. Dann rannte ich los, um warm zu werden.
    Ich rannte knapp zehn Minuten, bevor ich den Wagen fand. Es war der Taurus des Alten. Der Wagen stand so vom Haus abgewandt, dass ich sofort losfahren konnte. Duffy war eine praktisch veranlagte Frau, das stand fest. Die Schlüssel lagen auf dem Sitz. Ich ließ den Motor an, fuhr ohne Licht und bremste nicht, bis ich die Landzunge verlassen hatte und die erste Kurve der landeinwärts führenden Straße hinter mir lag. Dann schaltete ich die Scheinwerfer ein, ließ die Heizung auf Hochtouren laufen und gab Gas.
     
    Eine Viertelstunde später war ich am Rand des Gewerbegebiets im Hafen von Portland. Ich parkte den Taurus eine Meile vor Becks Lagerhaus in einer ruhigen Seitenstraße und ging den Rest des Wegs zu Fuß. Dies war der Augenblick der Wahrheit. War Doll tot aufgefunden worden, würde dort Hochbetrieb herrschen, und ich würde unauffällig verschwinden und mich nie wieder blicken lassen. War er es jedoch nicht, würde ich weitermachen.
    Mein Fußmarsch dauerte fast zwanzig Minuten. Ich sah niemanden. Keine Cops, keine Krankenwagen, keine Absperrungen, keine Gerichtsmediziner. Keine Männer in Lincoln Town Cars. Ich machte in weitem Abstand einen Rundgang um Becks Lagerhaus. Ich sah es durch Querstraßen und Baulücken. In allen Büroräumen brannte Licht. Ich hatte es eingeschaltet gelassen. Angel Dolls Lincoln stand immer noch neben dem Rolltor, genau an der Stelle, wo er ihn zurückgelassen hatte.
    Ich entfernte mich von dem Gebäude und näherte mich ihm von der Seite, die keine Fenster aufwies. Ich zog die Glock heraus. Hielt sie verdeckt an meinen rechten Oberschenkel gepresst. Vor mir befand sich Dolls Wagen. Die Tür dahinter führte in den Glaskasten im Lagerhaus, hinter dem das rückwärtige Büro lag. Ich schlüpfte zwischen dem Auto und der Personaltür hindurch und kroch auf allen vieren unter das Fenster. Hob den Kopf und blickte in den beleuchteten Raum. Niemand zu sehen. Auch der Sekretariatsbereich war leer. Überall herrschte Stille. Ich atmete auf und steckte die Pistole weg. Kehrte zu Dolls Wagen zurück, öffnete die Fahrertür und entriegelte den Kofferraumdeckel. Doll lag noch im Kofferraum. Ich nahm ihm den Schlüsselbund ab, drückte den Deckel wieder zu und lief durch den Personaleingang ins Lagerhaus. Fand den richtigen Schlüssel und sperrte die Tür hinter mir ab.
    Ich gab mir eine Viertelstunde. Fünf Minuten davon verbrachte ich im Lagerhaus, fünf im rückwärtigen Büro und fünf im Sekretariat. Um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, wischte ich alles, was ich anfasste, sofort mit dem Geschirrtuch ab. Ich fand keinen speziellen Hinweis auf Teresa Daniel oder auf Quinn. Es wurden nirgends Namen genannt. Alles war kodiert – Personen ebenso wie Waren. Ich gewann nur eine gesicherte Erkenntnis: Bizarre Bazaar verkaufte mehreren hundert Kunden jährlich mehrere zehntausend Artikel und erzielte damit über vierzig Millionen Dollar Umsatz. Nichts ließ erkennen, um welche Artikel es sich handelte oder wer die Kunden waren. Die meisten Waren fielen in eine von drei Preisgruppen: um fünfzig Dollar, um tausend Dollar und zum Teil weit darüber. Versandunterlagen gab es nicht, ebenso wenig wie FedEx-, UPS- oder Paketsendungen. Die Zustellung erfolgte offenbar privat. Aber nach Versicherungspolicen, die ich entdeckt hatte, gehörten der Firma nur zwei Lieferwagen.
    Ich ging wieder in den Glaskasten im Lagerhaus und stellte den Computer ab. Dann kehrte ich nach vorn in den Eingangsbereich zurück, schaltete unterwegs alle Lampen aus und ließ alles aufgeräumt und ordentlich zurück. Ich testete Dolls Schlüssel an der vorderen Tür, fand den richtigen und behielt ihn in

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