Der Janusmann
vierten Garage. Ich stieß die Torflügel weit auf, um möglichst viel Mondlicht einzulassen. Der staubige alte Saab, mit dem das Dienstmädchen zum Einkaufen gefahren war, stand hier so eingeparkt, dass sein Kühler fast die Werkbank an der Rückseite der Garage berührte. Durch das schmutzige Fenster über der Werkbank war das im Mondschein grau wirkende Meer zu erkennen. An der Werkbank war ein Schraubstock befestigt, die Arbeitsfläche lag voller alter Werkzeuge. Ihre Holzgriffe sahen von Öl und Alter dunkel aus. Ich fand eine Ahle, die nur ein stumpfer Stahldorn in einem birnenförmigen, aus Eiche gedrechselten Holzgriff war. Der Dorn hatte eine ungefähre Länge von fünf Zentimetern. Ich spannte ihn etwa einen halben Zentimeter fest in den Schraubstock. Zog an dem Griff, bis die Spitze des Dorns rechtwinklig abgebogen war. Lockerte den Schraubstock wieder, begutachtete mein Werk und steckte die Ahle in die Brusttasche des Jeanshemds.
Dann entdeckte ich ein Stemmeisen. Es hatte eine zwölf Millimeter breite Schneide und einen schön gearbeiteten Griff aus Esche. Ich suchte weiter, bis ich einen Karborund-Wetzstein und eine rostige Büchse Schleiföl gefunden hatte. Ich tupfte etwas Öl auf den Wetzstein, verteilte es mit dem Stemmeisen und schliff die Schneide blank, bis sie glänzte. Eine der vielen Highschools, die ich besucht hatte, war eine altmodische Schule auf Guam gewesen, wo man im Fach Werken danach benotet wurde, wie gut man ungeliebte Arbeiten wie das Schärfen von Werkzeug erledigte. Ich drehte das Stemmeisen um und nahm mir die Rückseite vor. Die Schneide war blank und gerade. Sie schien aus hochwertigem Pittsburgher Stahl zu bestehen. Ich wischte sie an der Hose ab. Verzichtete darauf, die Schärfe mit dem Daumen zu prüfen. Ein Blick genügte, um mir zu zeigen, dass die Schneide rasiermesserscharf war.
Ich kehrte auf den Innenhof zurück, kauerte mich in eine Mauerecke und begann meine Taschen zu füllen. Ich hatte das Stemmeisen für den Fall, dass ich keinen Lärm machen durfte, und die Glock, wenn Krach nicht schadete. Dann überlegte ich mir meine Prioritäten. Erst das Haus, entschied ich. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass ich es nie wieder sehen würde.
Die Außentür zur Küchenveranda war abgesperrt, aber der Mechanismus des Schlosses war primitiv. Die drei Zuhaltungen hatten eher symbolischen Wert. Ich führte die umgebogene Spitze der Ahle wie einen Schlüssel ein und ertastete die Zuhaltungen. Sie waren groß und leicht erkennbar. Ich brauchte keine Minute, um hineinzukommen. Auf der Veranda blieb ich stehen und horchte aufmerksam. Nichts.
Ich durchquerte die Veranda und kniete vor der inneren Tür nieder. Das gleiche primitive Schloss. Wieder knapp eine Minute Arbeit. Ich trat einen halben Schritt zurück, stieß die Tür auf. Roch alle möglichen Küchendüfte. Lauschte wieder. Der Raum war kalt und leer. Ich legte die Ahle und das Stemmeisen vor mich auf den Fußboden. Fügte die Glock mit den Reservemagazinen hinzu. Ich wollte vermeiden, dass der Metalldetektor ansprach. Ich schob die Ahle auf den Fußbodenbrettern durch die Tür und in die Küche. Diesen Vorgang wiederholte ich mit dem Stemmeisen. Fast alle handelsüblichen Metalldetektoren blenden den Fußbereich aus. Das kommt daher, dass bessere Herrenschuhe in der Sohle eine Stahleinlage haben, die den Schuh flexibel und dabei fester macht.
Ich schob die Glock durch den blinden Fleck des Metalldetektors und ließ die beiden Magazine einzeln folgen. Schob alles so weit in die Küche, wie mein Arm reichte. Dann stand ich auf und trat durch die Tür. Schloss sie lautlos hinter mir. Hob das ganze Zeug auf und verstaute es wieder in meinen Taschen. Überlegte, ob ich die Schuhe ausziehen sollte. Auf Socken kann man besser herumschleichen. Aber im Notfall sind Schuhe eine großartige Waffe. Trägt man Schuhe, genügt ein Tritt, um jemanden außer Gefecht zu setzen; trägt man keine, kann man sich dabei einen Zeh brechen. Und es dauert, bis man sie wieder angezogen hat. Ich wollte nicht barfuß auf den Felsen herumlaufen oder über die Mauer klettern. Außerdem hätte ich den E-Mail-Sender herausnehmen müssen. Ich beschloss, sie anzulassen und vorsichtig aufzutreten. Das Haus war solide gebaut. So viel durfte ich riskieren. Ich machte mich an die Arbeit.
Als Erstes suchte ich in der Küche nach einer Taschenlampe, konnte aber nur eine Schachtel Zündhölzer finden. Ich steckte drei ein und riss ein viertes an.
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