Der Janusmann
Wagen.
»Ihr Haus steht ungefähr zwei Meilen von hier«, sagte er. »Am Ende einer langen Zufahrt mit mehreren Kurven, die links von der Straße abzweigt. Nicht viel mehr als ein unbefestigter Weg. Wir können die halbe Strecke fahren, wenn wir leise und ohne Licht dahinrollen. Den Rest müssen wir zu Fuß gehen.«
Beck sagte nichts, ließ nur die Scheibe wieder nach oben gleiten. Duke ging zu seinem Wagen zurück und fuhr mit durchdrehenden Reifen los. Ich folgte ihm. Ungefähr hundert Meter vor der Abzweigung schalteten wir unsere Scheinwerfer aus und bogen ab. Rollten langsam weiter. Zum Glück gab der Mond etwas Licht. Der Lincoln schwankte, während er über tiefe Querrillen kroch. Wir kamen nur im Schneckentempo voran. Krochen im ersten Gang weiter. Dann leuchteten Dukes Bremslichter auf, und er kam zum Stehen. Ich hielt dicht hinter ihm. Beck drehte sich halb um, zerrte die Sporttasche zwischen den Sitzen nach vorn und zog den Reißverschluss auf. Gab mir eine der MP 5 K und zwei Reservemagazine mit je dreißig Schuss.
»Machen Sie Ihre Sache gut«, sagte er.
»Sie warten hier?«
Er nickte. Ich zerlegte die Waffe und kontrollierte alles. Setzte sie wieder zusammen, zog den Verschlusshebel zurück, um eine Patrone in die Kammer zu befördern, und sicherte die MP. Dann steckte ich die Reservemagazine vorsichtig ein, damit sie nicht gegen die Glock oder die PSM klapperten. Stieg aus. Blieb stehen und atmete die kalte Nachtluft ein. Es war wie eine Erlösung und weckte meine Lebensgeister. Ich konnte einen See in der Nähe, Bäume und verrottendes Laub am Boden riechen und einen Wasserfall in einiger Entfernung hören. Eine leichte Brise ließ das junge Laub rascheln. Ansonsten war nichts zu hören.
Duke wartete auf mich. Aus seiner Haltung sprachen gleichzeitig Nervosität und Ungeduld. Für ihn war dies nicht der erste Job dieser Art. So viel stand fest. Er sah aus wie ein erfahrener Cop vor einem Überfall auf das Hauptquartier einer Gangsterbande. Eine gewisse abgeklärte Routine mischte sich mit der beunruhigenden Erkenntnis, dass nicht jede Situation gleich war. Er hielt seine Steyr in der Hand, hatte das lange Magazin mit dreißig Schuss eingesetzt. Es ragte weit nach unten aus dem Griff heraus. Ließ die Pistole größer und hässlicher denn je aussehen.
»Los, komm schon, Arschloch«, flüsterte er.
Ich hielt mich anderthalb Meter hinter ihm und blieb auf der anderen Seite der Zufahrt, wie’s ein Infanterist getan hätte. Ich musste überzeugend wirken, als hätte ich Angst davor, ein massiertes Ziel zu bieten. Ich wusste, dass das Haus leer war, aber er nicht.
Wir kamen um eine Wegbiegung und hatten nun das Haus vor uns. Hinter einem Fenster brannte Licht. Vermutlich durch einen Zeitschalter gesteuert. Duke wurde langsamer und blieb dann stehen.
»Siehst du eine Tür?«, flüsterte er.
Ich starrte ins Dunkel. Entdeckte eine kleine Veranda. Deutete darauf.
»Du wartest am Eingang«, sagte ich flüsternd. »Ich sehe mir das beleuchtete Fenster an.«
Das war ihm nur recht. Wir arbeiteten uns lautlos zu der Veranda vor. Dort machten wir Halt. Dann setzte ich mich wieder in Bewegung und schlich zu dem beleuchteten Fenster. Kroch die letzten drei Meter, hob vorsichtig den Kopf und starrte hinein. In einer Tischlampe mit gelbem Plastikschirm brannte eine 25-Watt-Birne. Ich sah abgewetzte Sessel und Sofas. Einen offenen Kamin mit kalter Asche. Mit Kiefernholz getäfelte Wände. Aber keine Menschen.
Ich kroch rückwärts, bis ich in dem ins Freie fallenden Lichtschein für Duke sichtbar war, und hielt zwei V-förmig gespreizte Finger unter meine Augen. Der Standard-Scharfschützen- und Spähtruppkode für Ich sehe. Dann hob ich die Hand mit fünf ausgestreckten Fingern. Ich sehe fünf Leute. Danach machte ich alle möglichen komplizierten Gesten, die ihre Positionen und ihre Bewaffnung hätten bezeichnen können. Ich wusste, dass Duke sie nicht verstehen würde. Ich verstand sie selbst nicht. Meines Wissens hatten sie keinerlei Bedeutung. Ich war nie Scharfschütze oder Späher gewesen. Aber das Ganze sah überzeugend aus. Es wirkte professionell und dringlich.
Ich kroch weitere drei Meter rückwärts, stand auf und schlich zu ihm zurück.
»Die sind zu nichts imstande«, flüsterte ich. »Betrunken oder bekifft. Fangen wir’s richtig an, können wir sie nacheinander erledigen.«
»Waffen?«
»Genügend, aber keine in Reichweite.« Ich zeigte auf die Haustür. »Dahinter scheint ein kurzer
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